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Das zerklüftete Wasiristan gilt als Rückzugsgebiet von Extremisten. Während auf dem Boden pakistanische Truppen im Einsatz sind, setzen die USA in jüngster Zeit verstärkt auf Drohnen-Angriffe.

Foto: AP/Mohammad Sajjad

Im CIA-Jargon heißen sie rückwärtige Bediener. Sie sitzen in einem hochgesicherten Raum in der Geheimdienstzentrale in Langley, den Blick auf eine Wand von Monitoren gerichtet, eine Hand am Joystick. Während ein unbemanntes Flugzeug rund um die Uhr Bilder liefert, nachts via Infrarotkamera, können sie die Drohne steuern wie bei einem Videospiel. Das Objektiv holt Gehöfte irgendwo in den kahlen Bergen Pakistans so nah heran, dass sich Gesichter erkennen lassen. Glauben die rückwärtigen Bediener, die gesuchte Person gefunden zu haben, schießen sie per Knopfdruck eine Hellfire-Rakete ins Ziel.

Es ist eine Kriegführung, die skeptische Beobachter von einer Play-Station-Mentalität sprechen lässt. Die Akteure riechen keinen Pulverdampf, sehen kein Blut und brauchen keine direkte Gegenattacke zu fürchten. Allein die riesige Entfernung, geben Kritiker zu bedenken, dürfte die Hemmschwelle vor dem Knopfdruck erheblich senken. Für CIA-Chef Leon Panetta dagegen sind die ferngesteuerten Drohnen die beste Waffe im Ringen mit Al-Kaida.

Was nach dem Terrorschock des 11. September 2001 begann, ist heute Routine. Allein im vergangenen September, berichtet die New York Times, startete die CIA 21 Drohnen-Attacken, mehr als je zuvor in einem Monat. Die Ziele lagen zumeist in Wasiristan, dem zerklüfteten Bergland im Nordwesten Pakistans, wo Stammesführer herrschen und wo Osama Bin Laden Unterschlupf gefunden haben soll.

Hochbrisante Mission

Wie heikel die Mission ist, ist jedem Politiker am Potomac klar: Eine US-Regierungsbehörde bedient sich fliegender Roboter, um gezielt zu töten, in einem Land, mit dem die USA nicht im Krieg stehen. Offiziell gilt Pakistan als Verbündeter.

Genau genommen gibt es zwei Arten von Drohnen-Einsätzen. Bei der einen macht das Militär Jagd auf Aufständische in Afghanistan und im Irak. Die andere hat Terrorverdächtige im Visier. Nicht das Pentagon führt dabei Regie, sondern die CIA, unter dem Mantel tiefster Verschwiegenheit. Die Geheimdienstler erklären nicht, wen sie warum auf die Abschussliste setzen, wer den Befehl zum Feuern gibt, wie viele Menschen getötet wurden. Nach Schätzungen der New America Foundation, einer Denkfabrik in Washington, sind es 750 seit 2006, unter ihnen 250 unschuldige Zivilisten. Dabei hat der Geheimdienst nicht nur Al-Kaida-Terroristen im Visier, sondern auch Talibankämpfer und Rebellen, die der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari als Bedrohung versteht. "Viele Ziele werden von den Pakistanis nominiert, damit die kooperieren", weiß Bruce Riedel, ein früherer CIA-Offizier, der Barack Obama kurz nach dessen Amtsantritt ein Antiterrorkonzept vorlegte.

Vor 9/11 wurden Drohnen nur zur Aufklärung eingesetzt. Dann erteilte George W. Bush seinem Auslandsgeheimdienst die Vollmacht, praktisch überall in der Welt Jagd auf Mitglieder und Komplizen von Al-Kaida zu machen. Der Kongress segnete den Einsatz ab, worauf sich das Weiße Haus noch heute beruft. Barack Obama ließ das rechtlich umstrittene Programm nicht nur weiterlaufen, er weitete es spürbar aus.

Indessen können nur acht Prozent der pakistanischen Bevölkerung den Operationen etwas Gutes abgewinnen. Und auch in Washington fürchten Antiterrorexperten, dass es am Ende mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt, schon wegen seiner Fehlerquote. "Es ist, als wollte man einem Bienenstock den Garaus machen, Biene für Biene", sagt Riedel. Das Problem sei, dass der Bienenstock dennoch - oder gerade deshalb - immer mehr Bienen produziere.  (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2010)