Zeitgemäß moderne Frauen und darob verwirrte Männer - eine typische Konstellation einer jener filmischen Novellen à la Eric Rohmer, sei es in der Strandparabel "La Collectionneuse" ("Die Sammlerin",  1967, mit Haydee Politoff) ...

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... oder im Oscar-nominierten Debattenduell "Ma Nuit chez Maud" ("Meine Nacht bei Maud", 1969) mit Françoise Fabian und Jean-Louis Trintignant

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Hatte immer etwas von einem Literatur-Prof, war schließlich auch einer: Eric Rohmer, hier 1972 bei einem Wien-Besuch

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Wien - Eric Rohmer, Mitbegründer der Nouvelle Vague und Schlüsselfigur des französischen Autorenfilms, wird von der Viennale und vom Filmmuseum in ihrer diesjährigen Retrospektive gewürdigt. Der französische Regisseur, der im Jänner im Alter von 89 Jahren verstorben ist, schuf "ein Kino der Gedanken eher als der Aktionen", wie er einst selbst über seinen ersten Filmzyklus, "Moralische Geschichten" (1963-72), formulierte - letztlich sind seine novellenartigen Werke häufig Komödien über Alltagsmissverständnisse.  Das Filmmuseum zeigt von 7. Oktober bis 4. November neben Rohmers Spielfilmen auch einen Querschnitt durch seine frühen Kurzfilme und ein Tribute von Jean-Luc Godard an seinen ehemaligen Wegbegleiter.

Gäste

Den Auftakt der Retrospektive machen Rohmers Spielfilmdebüt aus den späten 50ern, "Le Signe du lion" (1959), und einer seiner jüngeren Filme, "Conte d'automne" aus dem Jahr 1998, Teil des Zyklus "Erzählungen von den vier Jahreszeiten" (1990-98). Darin verkörpert Beatrice Romand, die Rohmer für viele seiner Filme engagierte, die Winzerin und Witwe Magali, die sich im Spätsommer ihres Lebens wiederfindet. Romand wird gegen Ende der Retrospektive das Filmmuseum für zwei Publikumsgespräche besuchen und sowohl über die "Herbstgeschichte" als auch über "Le Genou de Claire" (1970) sprechen, in der die damals 18-Jährige ihre zweite Filmrolle überhaupt spielte.

Auch die französische Schauspielerin Marie Riviere, die in mehreren Filmen Rohmers mitwirkte, wird zu Gast sein; ebenso Rohmers ehemalige Mitarbeiterin Jackie Raynal, die am 23. Oktober ihr letztes Interview mit dem Regisseur ("My Last Interview With Eric", 2010) präsentieren wird. Ebenso aktuell wie besonders verspricht das Tribute von Jean-Luc Godard an Rohmer zu werden - der dreiminütige Schwarz-Weiß-Kurzfilm "Il y avait quoi" ist ein posthumes Tribut an "Maurice Scherer", so Rohmers Geburtsname. Einblick in Rohmers Arbeit erhält man im Filmmuseum in der zweiteiligen Dokumentation "Eric Rohmer. Preuves a l'appui" (1994) der Filmemacher Andre S. Labarthe und Jean Douchet.

Zyklen

Zuvor drehte er innerhalb von fünf Jahrzehnten 24 Spielfilme, darunter Literaturverfilmungen und vor allem Zyklen, die stets einem Überbegriff zugeschrieben waren, ob Sprichwörtern oder Jahreszeiten. "Das Filmedrehen ist für mich keine Arbeit", sagte Rohmer einmal. "Es ist eine Leidenschaft, so wie andere leidenschaftlich gerne spielen oder angeln." In seinen Filmen war stets seine Leidenschaft für Literatur, klassische Musik und Philosophie erkennbar. Oft standen Frauen im Mittelpunkt, meist im Rahmen moderner Alltagsgeschichten, gerne in Urlaubs-Settings, aber auch etwa als "Die Marquise von O ..." (1976), Rohmers erstem Historienfilm nach der Novelle von Heinrich von Kleist. Bevor er zum aktiven Filmemachen vorstoß, lebte er seine Leidenschaft in Filmliteratur und -kritik aus, verfasste unter anderem mit Claude Chabrol, einer weiteren vor kurzem verstorbenen Nouvelle Vague-Größe, das weltweit erste Buch über Alfred Hitchcock.

Seinen internationalen Durchbruch als Filmemacher feierte Rohmer 1969 mit "Ma nuit chez Maud", dem dritten Film seines sechsteiligen "Moral"-Zyklus. Für die Antithese zum konventionellen Liebesfilm der damaligen Zeit, ein Streitgespräch über Glauben, Treue und Liebe, erhielt er auch eine Oscar-Nominierung. Bei seinem weiten Zyklus "Komödien und Sprichwörtern" (1981-87) wurde Rohmer für "Pauline a la plage" (1982) mit dem Silbernen Bär geehrt. Während sein persönlicher Lieblingsfilm, "La Femme de l'aviateur" ("Die Frau des Fliegers", 1981), ein wenig unterging, wurde "Les nuits de la pleine lune" ("Vollmondnächte", 1984) wieder ein beträchtlicher Publikumserfolg.  Vor drei Jahren erschien Rohmers letzter Film, "Les amours d'Astree et de Celadon" - das hochamüsante literarische Schäferstück lief im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig, danach ging er als Regisseur offiziell in Pension. (APA)