Wien - Zum bereits vierten Mal hatte sich am Montag Wolfgang F., ein ehemaliger Bezirksrat der Wiener Freiheitlichen, wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vor einem Schwurgericht zu verantworten. Nachdem der mittlerweile von der FPÖ ausgeschlossene Ex-Politiker im Jänner 2008 nach § 3h Verbotsgesetz zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden war und bei dieser Gelegenheit weitere 29 Monate an "offenen" bedingten aus vorangegangenen Verurteilungen widerrufen bekommen hatte, machte er sich laut Anklage aus seiner Zelle heraus neuerlich der Wiederbetätigung schuldig.

Zwischen August 2008 und Juni 2009 richtete der mittlerweile 59-Jährige zahlreiche Schreiben an Politiker, politische Institutionen, Gerichte, Staatsanwaltschaften, die Österreichische Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn und Zeitschriften, in denen er einmal mehr behauptete, nicht sechs, sondern höchstens eineinhalb Millionen Juden wären im Dritten Reich vernichtet worden. Darüber hinausgehende Opferzahlen bezeichnete er wörtlich als "abscheulichsten Menschheitsbetrug der Geschichte", weil sechs Millionen rein statistisch "nicht verschwinden können".

Volksbegehren zur Abschaffung des Verbotsgesetzes

Der Verfahrenstechniker behauptete in seinen Briefen, die zumindest teilweise ihre Empfänger erreichten, weiters, in den Konzentrationslagern wäre eine Massenvernichtung mit Zyklon B technisch gar nicht möglich gewesen. Außerdem versuchte er aus dem Gefängnis heraus ein Volksbegehren zur Abschaffung des § 3 h Verbotsgesetz zu starten.

Er führe einen "Kreuzzug für die Wahrheit", stilisierte sich der Angeklagte nun im Wiener Straflandesgericht zum Märtyrer und bekräftigte seine inkriminierten Thesen: "Es gibt niemand, der mir nicht recht gibt. Ich habe nicht den Holocaust geleugnet, sondern nur falsche Fakten richtig gestellt. Die Sechs-Millionen-Lüge zieht den Terror auf Österreich, weil wir in radikal islamistischen Kreisen als Hochburg dieser Propaganda gelten."

"Wollte die Leute aufwecken"

"Keiner dieser Briefe verstößt gegen das Verbotsgesetz", behauptete Wolfgang F. in seiner dreieinhalbstündigen Einvernahme. Er habe damit "die Leute aufwecken wollen": Dass ihm seine Tätigkeit bisher mehrere Jahre Haft einbrachten, sei zwar "selbstzerstörerisch, aber um der Wahrheit Willen bin ich bereit, sehr viel auf mich zu nehmen."

Nach seiner letzten Verurteilung hatte der Ex-FPÖ-Bezirksrat die damaligen Laienrichter wegen Bruch ihres Geschworeneneides und die Berufsrichter wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Auch jetzt wetterte er gegen "diesen Staatsanwalt, der keine Ahnung hat" und "die Polit-Justiz in diesem Land". Er gebe zu, "dass ich mich ein bisschen verrannt habe in die Wahrheitssuche. Aber irgendeine Wirkung hab' ich damit ja erreicht. In den letzten ein, zwei Jahren hab' ich fast nix mehr von den sechs Millionen gelesen".

Urteil nicht vor 16 Uhr

Gerichtspsychiater Heinz Pfolz bescheinigte dem Angeklagten eine "sehr selbstunsichere Persönlichkeit". Dieser kompensiere seine Minderwertigkeitsgefühle mit erhöhtem Geltungsbedürfnis und fanatisch-paranoiden Zügen. Ein "wahnhaftes System" liege allerdings nicht vor, Zurechnungsfähigkeit sei jedenfalls gegeben.

Mit der Urteilsverkündung war nicht vor 16.00 Uhr zu rechnen. (APA)