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Während andere noch nach der Weltherrschaft streben, hat Unix/Linux diese längst erreicht - so zumindest sieht es Jean-Louis Gassée

Foto: Archiv

Bereits Ende der Achtziger-Jahre war Jean-Louis Gassée zum Entwicklungschef bei Apple aufgestiegen - und in Folge gar kurzfristig als neuer Apple-Boss im Gespräch. Statt dessen brach der gebürtige Franzose zu neuen Ufern auf und gründete im Jahr 1991 Be Inc. und damit jenes Unternehmen, das mit BeOS ein Betriebssystem schaffen sollte, das seiner Zeit in vielerlei Hinsicht um Längen voraus war. Insofern darf wohl getrost behauptet werden, dass Gassée durchaus weiß, wovon er spricht, wenn er sich zu Betriebssystemen zu Wort meldet - und dies tut er nun mit einem durchaus kontroversen Artikel.

Adieu

So stellt der BeOS-Gründer in einem aktuellen Blog-Eintrag die These auf, dass all die Diskussionen über die Vorzüge unterschiedlicher Betriebssystem mittlerweile längst an der Realität vorbeigehen - dies schlicht weil Betriebssysteme selbst längst irrelevant seien. Die mystisch anmutende Aura, die einem OS in den frühen Jahren des Computerzeitalters zuteil wurde, sei schon vor rund 20 Jahren verloren gegangen, als das grundlegende Wissen über das Zusammenspiel von Hard- und Software soweit verbreitet war, dass es zu einem Hobby wurde einen eigenen Kernel schnell mal in den Ferien zu schreiben.

Unix

Eine Realität, die für die heutige Betriebssystemwelt eine entscheidende Konsequenz habe: De fakto gebe es nur mehr ein einziges Betriebssystem - und das sei Unix, zeigt sich Gassée überzeugt. Eine Behauptung, die der Ex-Apple-Manager mit einem Blick auf das aktuelle Software-Ökosystem zu untermauern sucht: Der Umstand, dass Blackberry sein kommendes Tablet auf Basis des bereits seit 1982 in Entwicklung seienden Unix-Systems QNX ausliefert, liest Gassée als Kapitulation des Herstellers RIM vor der Realität - einer Realität die da heißt, dass vollständige Eigenentwicklungen über die Zeit kaum mehr wartbar sind.

Linux

Auch sonst ist Unix bzw. Linux mittlerweile praktisch überall: Unix bildet die Basis von Mac OS X und damit auch jene des iPhone-Betriebssystems iOS. Android ist ebenso ein Linux-basiertes System wie WebOS, das wohl nicht ohne Grund einem vollständig proprietären System von Palm gefolgt sei. Auch Nokias kommendes MeeGo setzt im Hintergrund voll und ganz auf Linux.

Die Windows-Anomalie

Freilich vergisst der BeOS-Gründer in seinem Beitrag nicht auf das recht offensichtliche Gegenbeispiel einzugehen, immerhin ist Windows noch immer das - mit weitem Abstand - dominante Betriebssystem im PC-Markt. Ein Umstand, den Gassée zwar durchaus anerkennt, aber als simple Anomalie klassifiziert. Denn so sehr sich Microsoft auch bemühe das eigene OS relevant und funktionstüchtig zu halten (mit geteiltem Erfolg, wie Windows Vista zeige), sei die Realität doch, dass Windows auf einen ganz spezifischen Bereich beschränkt bleibe - noch dazu einem, der an seinem Plateau angekommen sei. In allen anderen Sparten - von der Cloud bis zum Smartphone - präsentiere sich eine durchgängige Unix/Linux-Weltordnung.

Neue Ufer

Aus dem Umstand, dass nun die Systemfunktionen bei praktisch allen Plattformen gleich seien, resultiere zugleich aber  auch eine weitergehende Umschichtung im Softwaremarkt: Statt sich auf Treiber und Co. zu konzentrieren, stünden nun verstärkt die User Experience und die Entwicklungs-Tools im Vordergrund. Mit diesen gelte es sich künftig von der Konkurrenz abzusetzen - und nicht mehr mit der korrekten Ansteuerung von Hardware. (apo, derStandard.at, 04.10.10)