Jahrelang hat sich der verunglückte Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider geweigert, Entscheide des Verfassungsgerichtshofs zu vollziehen. Er hat die geforderten zweisprachigen Ortstafeln nicht aufgestellt. Nahezu alle Medien haben dieses Verhalten scharf kritisiert, weil es zu einer Schwächung der Gewaltenteilung führte.

Nun weigert sich der ORF, einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu folgen. Es geht um die Herausgabe von Filmbändern. Der ORF und mit ihm fast die gesamte Journalistik verbinden mit diesem Faktum einen Angriff auf die Medienfreiheit - und unterstützen die Position der ORF-Verantwortlichen.

Ist die Weigerung korrekt? Antwort: Nein. Denn sie ist in der Substanz dasselbe wie der "Abwehrkampf" der FPÖ und des BZÖ in Kärnten.

Beim Konflikt zwischen ORF und der Justiz geht es ohne Frage um die Medienfreiheit. Bei der Vorladung von News- und Profil-Journalisten aber um zwei zentrale Prinzipien - die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses und den Schutz von Informanten.

Beides gilt es zu verteidigen. Das geltende Recht jedoch, ausgeübt durch Gerichtshöfe, steht über diesem Befund und über dieser vielfach auch rechtspolitisch und demokratiepolitisch abgesicherten Einschätzung.

Kein Zweifel: Jörg Haider hat sich mehrfach der Rechtsbeugung schuldig gemacht. Der ORF jedoch, wie Haider im Bewusstsein seiner öffentlichen Macht, tut dies eben jetzt.

Die Printmedien wiederum dürfen nicht das Recht mit Weltanschauung verwechseln. In der Causa Haider waren sich (fast) alle einig. Denn der rechtslastige Rabauke griff zeitweise ja fast jeden Tag den Verfassungsgerichtshof an.

Das macht der ORF nicht, und der VfGH ist eine höhere Gewalt als Staatsanwalt und Gericht. Aber einer richterlichen Entscheidung nicht zu folgen, dazu ist selbst der ORF nicht berechtigt. Schon gar nicht mit Verweis auf eine mögliche Gesetzesänderung durch die von ihm mobilisierte Politik.

Die inkriminierten Bänder sind also herauszugeben. Erst dann kann und soll eine Debatte einsetzen - mit dem Ziel einer Präzisierung des Mediengesetzes und des Redaktionsgeheimnisses.

Natürlich kann man die Freude des ORF verstehen, der Politik endlich einmal den Marsch blasen zu können. Umgekehrt jedoch hat noch keiner aus den obersten Etagen des Küniglbergs öffentlich erklärt, er werde Widerstand leisten und ins Gefängnis gehen, wenn die Parteien nicht aufhörten, durch gefärbte Postenbesetzungen und Interventionen Medienfreiheit und Medienpluralismus infrage zu stellen.

Als es kürzlich in Wien beim Weltkongress des "International Press Institutes" um Medienfreiheit ging, ließ der ORF einen bereits vereinbarten Club 2 über Medienfreiheit platzen.

Bei der Verteidigung der ORF-Journalisten und bei der Realisierung eines besseren Medienrechts sollte man auch das im Auge behalten.

Genauso wie unten im Süden die begrüßenswerte Ankündigung des Landeshauptmanns Dörfler, mehr Ortstafeln aufstellen zu wollen. Eine Erfüllung des Staatsvertrags und des modifizierenden OGH-Entscheids ist das noch nicht. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2010)