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Die Präsidenten Colom und Obama, am Telefon.

Foto: AP/EPA, Montage: Gossy/derStandard.at

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Präsidentensprecher Robert Gibbs, zerknirscht.

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Washington - Die USA haben sich bei hunderten Menschen in Guatemala entschuldigt, die vor mehr als 60 Jahren zu Forschungszwecken mit Geschlechtskrankheiten infiziert wurden. In einer gemeinsamen Erklärung bezeichneten US-Außenministerin Hillary Clinton und US-Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius die Studie am Freitag als "unethisch". Präsident Barack Obama entschuldigte sich in einem Telefonat mit Guatemalas Präsident Alvaro Colom.

Tiefes Bedauern bei Obama

Obama äußerte nach Angaben des Weißen Hauses in einem Telefonat mit Colom sein "tiefstes Bedauern" und entschuldigte sich bei den Opfern, wie der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, mitteilte. Der guatemaltekische Präsident sprach von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Colom war am Donnerstag von Clinton über die Geschehnisse informiert worden.

Die US-Außenministerin drückte in einem Telefonat mit Colom ihr "persönliches Entsetzen und tiefes Bedauern" darüber aus, "dass so eine verwerfliche Forschung geschehen konnte". Clinton und Gesundheitsministerin Sebelius entschuldigten sich in ihrer gemeinsamen Erklärung bei den Opfern und kündigten eine umfassende Untersuchung der Geschehnisse an.

1.500 Menschen wurden untersucht

Der Arzt John Cutler hatte in den 1940er Jahren in Guatemala an 1.500 Menschen untersucht, ob mit dem damals noch neuen Wirkstoff Penizillin Geschlechtskrankheiten behandelt werden konnten. Für die Studie wählten Cutler und sein Team besonders gefährdete Menschen aus, darunter psychisch Kranke. Sie klärten die Beteiligten nicht über ihr Vorgehen und die möglichen Folgen auf.

Zunächst infizierten die US-Ärzte Prostituierte mit den Geschlechtskrankheiten Tripper oder Syphilis, dann ermunterten sie die Frauen zu ungeschütztem Sex mit Soldaten oder Gefängnisinsassen. Weil sich nur wenige Männer ansteckten, infizierten die Ärzte Soldaten, Gefängnisinsassen sowie psychisch Kranke schließlich direkt mit den Krankheiten. Mindestens einer der Patienten starb während der Studie, unklar ist jedoch, ob der Tod durch das Experiment ausgelöst wurde.

Senator Menendez: Einer der "dunkelsten Momente" der Geschichte der USA

Die Studie wurde vom Panamerikanischen Gesundheitsbüro, das später in Panamerikanische Gesundheitsorganisation umbenannt wurde, vorgenommen. Finanziert wurde die Untersuchung von den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH). Deren heutiger Leiter Francis Collins nannte das Geschehene "zutiefst verstörend" und "ein entsetzliches Beispiel für das dunkle Kapitel in der Geschichte der Medizin". Der Senator Robert Menendez vom hispanischen Ausschuss des US-Kongresses sprach von einem der "dunkelsten Momente" in der Geschichte der USA. "Kein unschuldiger Mitmensch, egal welcher Herkunft, sollte wie eine Laborratte behandelt werden."

Die Menschenversuche waren erst in diesem Jahr bekannt geworden, als die College-Professorin Susan Reverby durch Zufall in einem Archiv Dokumente darüber entdeckte. Die Studie war nie veröffentlicht worden. Der verantwortliche Arzt Cutler war auch an der umstrittenen Tuskegee-Syphilis-Studie an hunderten Afroamerikanern beteiligt. Für sie wurden zwischen 1932 und 1972 an Syphilis erkrankte schwarze US-Bürger nicht medizinisch behandelt. (APA)