Bild nicht mehr verfügbar.

Verena Becker betritt in Begleitung ihrer Anwälte das Gericht in Stuttgart. Sie wird beschuldigt, 1977 Mittäterin beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback gewesen zu sein.

Foto: epa/Bernd Weissbrod

In Stuttgart hat der Prozess gegen Verena Becker begonnen. Zur Frage, wer im Jahr 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen hat, schweigt die RAF-Terroristin auch weiterhin.

*****

Stuttgart - "Ihr Nazischweine! Scheiße! Ihr Schweine!" Als die Richter des Oberlandesgerichts Stuttgart am 28. Dezember 1977 ihr Urteil verkünden und die RAF-Terroristin Verena Becker zu lebenslanger Haft verurteilen, springt diese auf und brüllt mit wutverzerrtem Gesicht.

Am Donnerstag, wieder im Stuttgarter Gericht, ist alles ganz anders. Becker betritt am Vormittag das Gericht und schweigt. Daran wird sich den ganzen ersten Prozesstag auch nichts ändern. "Sie wird weder Angaben zur Person noch zur Sache machen", kündigt ihr Anwalt Walter Wenedey an. Becker trägt eine große schwarze Sonnenbrille - nicht aus "Ungehörigkeit", wie der Vorsitzende Richter Hermann Wieland erklärt, sondern weil sie wegen einer rheumatischen Erkrankung lichtempfindlich sei.

Und zunächst blitzen ihr unzählige Fotografen ins Gesicht. Der Prozess ist der vermutlich letzte große RAF-Prozess, er wird möglicherweise mehr als ein Jahr dauern. Geklärt werden soll, ob die heute 58-Jährige, die in Berlin lebt, 1977 Mittäterin beim Mord der RAF an Generalbundesanwalt Siegfried Buback war. Er starb am 7. April 1977 in Karlruhe. Bis heute ist nicht bekannt, wer die tödlichen Schüsse vom Beifahrersitz eines Motorrades abgab.

Dass es Becker war, davon geht selbst Bundesanwalt Walter Hemberger nicht aus. Er sieht sie aber als Mittäterin. "Die Angeklagte wirkte (...) maßgeblich an der Entscheidung, einen Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback zu begehen, an der Planung und Vorbereitung dieses Mordanschlages sowie an der Verbreitung der Selbstbezichtigungsschreiben mit", heißt es in der Anklageschrift. Gemeinschaftlich mit anderen habe Becker "aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch drei Menschen getötet" - Buback, seinen Fahrer und einen Sicherheitsbeamten.

Richter Wieland verliest dann eine Passage aus Notizen von Becker, die sie am 7. April 2008, dem 31. Jahrestag des Buback-Mordes, verfasst hat. Sie habe überlegt, ob sie für Buback beten solle. Aber: "Die Zeit für Reue und Schuld ist noch nicht da." Es sei "noch ein weiter Weg". Zur Sprache kommt auch, dass Becker einen Brief an Michael Buback, den Sohn des Ermordeten, verfasst habe. Auf Anraten ihres Anwalts habe sie das Schreiben jedoch nie abgeschickt.

Spiritueller Konflikt

"Spirituell haben Herr Buback und ich einen Konflikt, den es noch zu heilen gilt" , hatte Becker laut Vernehmungsprotokoll erklärt. Sie meinte damit, dass Michael Buback sie öffentlich beschuldigte, auf dem Motorrad gesessen und geschossen zu haben.

Michael Buback, der im Prozess als Nebenkläger auftritt, sitzt Becker an diesem ersten Verhandlungstag direkt gegenüber. Er bleibt dabei: Becker hat seinen Vater getötet. Buback beruft sich auf eine Reihe von Zeugen, die nach dem Attentat erklärten, die Schüsse seien von einer kleinen, zierlichen Person (wohl einer Frau) abgegeben worden. "Wir erhoffen uns, dass es zur Wahrheit kommt. Wir wollen nur die Wahrheit wissen" , sagt er im Gericht.

Becker war 1977 wegen Mordversuchs an Polizisten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach der Begnadigung durch den deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker verließ sie das Gefängnis am 30. November 1989 - dem Tag, an dem die RAF den Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, ermordete. (bau/DER STANDARD, Printausgabe, 1.10.2010)