Fünf Steirer reden in Wien über die steirische Wahl: Elisabeth Hakel (SP), Stefan Wallner (Grüne), Reinhold Lopatka (VP), Claudia Klimt-Weithaler (KP) und Moderator Gerfried Sperl.

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Am Tag nach der steirischen Landtagswahl gab es ein Mysterium des Wahlabends aufzuklären. Was hatte es mit der "beispiellosen Aufholjagd" auf sich, die in der ÖVP euphorisch bejubelt wurde - und offenbar so eine berauschende Breitenwirkung ausübte, dass sie noch am selben Abend kurzerhand auch von SPÖ-Chef Werner Faymann für die Roten in Anspruch genommen wurde?

Standard-Kolumnist Gerfried Sperl fragte beim Montagsgespräch über "Die Folgen der Steiermark-Wahl" bei einem nach, der es wissen sollte, kommt er doch selbst aus der steirischen VP: Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka. Der hatte auch eine Erklärung parat: "Wenn der andere ein bissl mehr verliert, holt man ja auch auf." Das sei wie beim Marathon, sagte Marathonläufer Lopatka, da habe man auch manchmal den späteren Sieger vor Augen, rücke sogar auf zu ihm - "aber dann reicht's halt doch nicht ganz".

Der Repräsentantin des steirischen Marathonsiegers, SPÖ-Nationalrätin Elisabeth Hakel, nötigte das nur einen Satz ab: "Man kann sich alles schönreden." Oder die "Neuerfindung der Physik" betreiben, meinte Grünen-Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner. Oder es auf den Punkt bringen wie KPÖ-Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler: "Tatsache ist, es haben beide verloren."

Da konnten weder SPÖ noch ÖVP auf dem Podium im Haus der Musik widersprechen. Verloren haben aber alle Parteien - an das immer größer werdende Kollektiv der Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Deren "Fraktion" ist mit fast 300.000 Stimmen die größte Gruppe vor SPÖ und ÖVP.

Die Erklärungen für diesen Politikverdruss reichten vom "Erscheinungsbild der Landespolitik und zu wenig kontroversiellen landespolitischen Themen" (Lopatka) über den Eindruck, "es ist völlig wurscht, wer Erster wird, sie machen eh alle dieselbe neoliberale Politik" (Klimt-Weithaler) bis zur "politischen Kultur, die komplett versaut wurde, was zu einer tiefen Vertrauenskrise zwischen Gesellschaft und Politik, die ein massives Korruptionsproblem hat, führt - und zu Demobilisierung bei Wahlen" (Wallner).

Oder zu Mobilisierung in die falsche Richtung, wie die SPÖ zu spüren bekam. Der Wahlkampfschlager "soziale Gerechtigkeit" habe "doch eher den urbanen Bereich angesprochen" und nicht die anvisierten Industriegebiete, sagte Hakel. Die, die nicht unmittelbar von der Krise betroffen seien, sondern "Angst haben vor Jobverlust, Sparbuchverlust, vor Fremden", hätten bei der FPÖ ihre Ängste besser betreut gewusst - obwohl mit Landeshauptmann Franz Voves doch "ein sympathischer, klasser Kerl" vorne stand.

Der hat jetzt auch noch die Qual der Wahl, ob er sich von jenen, bei denen viele seiner früheren Wähler ihre Angst geparkt haben, wieder in den Landeshauptmannsessel hieven lässt - oder nicht. Na ja, von wegen Qual, intervenierte Wallner: "Die SPÖ blinkt massiv rechts." Sollte sie diese Ausfahrt wirklich nehmen wollen, müsste sie sehr weit nach rechts einschlagen, denn der steirische FP-Chef Gerhard Kurzmann sei nun wirklich "ein besonderes Exemplar der FPÖ. Der ist rechts außen."

Auf einer Fahrspur also, die für Claudia Klimt-Weithaler ideologische No-go-Area ist. Ihr "Kompass" weist in die andere Richtung, sagte die Klubobfrau der KPÖ im steirischen Landtag: "Ich bin Kommunistin, weil für mich der Marxismus die beste Ideologie ist, weil es um Gerechtigkeit geht." Wer keine linken Signale sendet, wird von der KPÖ nicht gehört. Aber die KPÖ-Chefin rechnet ohnehin wieder mit einer SP-VP-Kooperation in der Landesregierung.

Die wird viel Arbeit haben - und wenig Geld. Ein Problem, das Lopatka aus Wien gut kennt: "Die Steiermark muss aufpassen, dass das Landesbudget nicht aus dem Ruder läuft." Aber "aufpassen" sei auch beim Bund gefragt. Auf- und verschieben geht nicht auf ewig. Irgendwer wird was tun müssen.

"Na, hört die Signale!" mag da die Kommunistin an die "Internationale" gedacht haben. Dort heißt es: "Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun. Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun!" (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2010)