Wien/Klosterneuburg – Von "Computational Thinking" können Menschen in allen Lebensbereichen profitieren, meint Jeannette Wing, Leiterin des Computer Science Departments an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA): Wer analytisch und präzise wie ein Computerwissenschafter denken lernt, kann komplexe Probleme effizienter lösen. Die Computerwissenschafterin stellte am Montag am Institute of Science and Technology (IST) Austria ihre Vision für das 21. Jahrhundert vor.

Keinesfalls will Wing ihr Konzept dahingehend verstanden wissen, dass Menschen auch tatsächlich wie Computer denken sollen, sondern eher als Philosophie. "Worum es wirklich geht, ist Abstraktion und bei Gedankenprozessen irrelevante Details auszuschließen. Ich beabsichtige nicht, die Leute mit dem Ansatz einzuschüchtern, Computational Thinking soll einen Nutzen für das Lösen von Problemen bringen", präzisierte Wing ihre Vorstellungen am Rande ihrer "IST Lecture".

Effizienteres Kaffeeholen

Mit dem Denkmodell könnten selbst alltägliche Aufgaben wie das Kaffeeholen in der Cafeteria effizienter gestaltet werden. Den Unterschied zu gewissermaßen "herkömmlichem" logischem Denken erklärt Wing mit dem herausragenden Stellenwert von Effizienz in der Computerwissenschaft: "Computational Thinking befähigt dazu, Strukturen und Muster zu erkennen, wo man vorher keine gesehen hat, oder effizienter in der täglichen Routine zu sein."

In der Wissenschaft seien Elemente der Computerwissenschaften längst integraler Bestandteil verschiedenster Disziplinen von der Astronomie bis zu den Neurowissenschaften. Am meisten profitiert hat laut Wing in jüngster Zeit die Biologie. "Die Entzifferung des menschlichen Genoms wurde mit einem sehr cleveren Algorithmus erreicht. Das alles ist so viel schneller gegangen als mit den bis dahin bekannten Methoden, dass die Biologen infolge dessen für rechenbetonte Modelle immer aufgeschlossener wurden", so die Expertin.

Schreiben, Rechnen, Computational Thinking

Besonderes Augenmerk legt die Wissenschafterin auf die Implementierung ihres Konzeptes in das Bildungswesen. "Zusätzlich zu den Fertigkeiten wie Schreiben, Rechnen und Lesen sollte in Zukunft jedes Kind als weitere analytische Fähigkeit die grundlegenden Konzepte der Computerwissenschaften verinnerlichen", wünscht sich Wing, die erst vor wenigen Wochen von ihrer dreijährigen Tätigkeit als Assistenzdirektorin der National Science Foundation an die Carnegie Mellon Universität zurückgekehrt ist.

Unklar ist noch, in welchen Entwicklungsstufen welche Konzepte des "Computational Thinking" gelehrt werden sollen. "Wenn wir lernen, schriftlich zu dividieren oder zwei große Zahlen zu multiplizieren, lernen wir eigentlich einen Algorithmus. Nur sagt uns das niemand", so Wing. Computerwissenschafter hätten wiederum keine Vorstellung davon, wann es für Kinder angebracht wäre, Algorithmen auf einer allgemeinen Ebene zu lernen: "Das ist eine offene Forschungsfrage." (red/APA)