Drago Jancar (Jahrgang 1948), dessen Roman "Der Baum ohne Namen" nun auf Deutsch erschienen ist.

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Salzburg - Wenn von zeitgenössischer Literatur aus Slowenien die Rede ist, darf sein Name nicht fehlen: Drago Janèar wurde 1948 in Maribor geboren, dort studierte er auch Rechtswissenschaften. Damals publizierte er Texte in einer Studentenzeitschrift, die ihn in Konflikt mit der jugoslawischen Staatsmacht brachten. Wegen einer aus Österreich importierten Broschüre über Erschießungen von Nazi-Kollaborateuren nach 1945 durch Tito-Anhänger, fasste Janèar eine einjährige Haftstrafe aus, nach drei Monaten wurde er entlassen, danach arbeitete er als Journalist in Ljubljana.

Dort verkehrte er in regimekritischen Kreisen, lernte den in Triest lebenden Landsmann und Schriftsteller Boris Pahor kennen. Nach Titos Tod und einer Liberalisierung konnte sich Janèar ab Mitte der 1980er-Jahre auch in seiner Heimat als Autor etablieren, der ironische Stil seiner Romane und Stücke ist stark von Pahor beeinflusst. Inzwischen wurde Janèar mehrfach mit internationalen Preisen bedacht. Heuer veröffentlichte er den Roman To noè sem jo videl, vor zwei Jahren erschien in seiner Heimat der Vorgänger Drevo brez imena, der jetzt in deutscher Übersetzung als Der Baum ohne Namen (Folio Verlag) vorliegt. Darin wird der Archivar Lipnik in den Bann der Memoiren eines nach Australien ausgewanderten Erotomanen gezogen. So gerät er in den Sog einer Geschichte, die im besetzten Jugoslawien (1940) beginnt: Ein Flüchtling versteckt sich im Haus einer Lehrerin, wo er Zeuge einer Gewalttat von deren Freund, einem Offizier, wird. Dieser entpuppt sich als Verfasser der Erinnerungen, mit der Zeit wird der Archivar selbst Teil der Geschichte. Janèar vermischt in dem Verwirrspiel Geschichte, Gegenwart und Mythos, Reales und Fantastisches. (dog, DER STANDARD - Printausgabe, 28. September 2010)