Der weltweit aktive Geldüberweiser Western Union sieht sich durch immer strengere Anti-Geldwäsche-Richtlinien eher im Vorteil, sagt der neue Chef, Hikmet Ersek.

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Standard: Wie wichtig sind denn Geldüberweisungen für Migranten - in Zeiten des Internetbanking?

Ersek: Sehr wichtig. Der Weltmarkt wächst nach wie vor, auch heuer. Die Weltbank spricht von einem Prozent, es gibt Studien, die sprechen von 4, 6 Prozent. Auch Western Union wächst. Überweisungen sind ja nicht nur für die Migranten, sondern für ihre Familien wichtig. Da werden ja auch Pensionen, Geld für Medizin, für die Schule überwiesen.

Standard: Western Union selbst macht nur zwei Prozent seines Umsatzes im Online-Geschäft.

Ersek: Unser Wachstum beim Internetbanking beträgt aber 70 Prozent; am stärksten ist es in Europa. Das liegt daran, dass viele unserer Kunden in Europa ein Bankkonto haben, und von dort direkt mit unserem Online-System verbunden sind. Wir wachsen im Online-Bereich aber auch in Südafrika und Australien sehr stark.

Standard: Wie läuft denn Ihr Pilotprojekt der mobilen Geldüberweisung von Großbritannien nach Kenia? Da landet die Überweisung am Handy, das wie eine elektronische Geldbörse funktioniert. Der Empfänger kann das Geld drauf lassen oder in bar abholen.

Ersek: Das läuft sehr gut, wir haben 12.000 Kunden. Kenia ist deswegen das Pilotprojekt, weil es das einzige Land weltweit ist, das dieses Handy-als-Geldbörse-System flächendeckend hat. Und wir sind für die grenzüberschreitenden Überweisungen zuständig. Solche Geldbörsen-Systeme haben wir aber auch auf den Philippinen, in Südafrika und Malaysia; von 26 Ländern aus kann man mit uns dorthin auf Handys überweisen.

Standard: Western Union hat 2009 rund 55 Mrd. Euro verschickt, krisenbedingt Umsatz verloren. Die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte, die dann von Spanien oder aus den Golfstaaten Geld heimschicken, hat stark nachgelassen. In diesen Ländern hatten Sie auch die größten Einbrüche.Wie werden Sie das aufholen?

Ersek: Wir sehen erste Verbesserungen, wollen heuer um drei Prozent wachsen. In Europa bauen wir auch unser Geschäftsstellennetz aus. Wir eröffnen Filialen nicht nur bei Banken; wir gehen verstärkt in den Handel, haben Verträge mit 1800 OMV-Tankstellen geschlossen. Über die Retail-Schiene wollen wir ein bis zwei Prozent vom Umsatz lukrieren.

Standard: Und Sie wollen in Asien wachsen, wo Sie derzeit rund acht Prozent Ihres Umsatzes machen. Sie peilen eine Verdoppelung an, wie soll das gehen?

Ersek: Wir haben dafür ja ein paar Jahre Zeit. Schauen Sie, wir haben in den USA 50.000 Geschäftsstellen bei rund 308 Millionen Einwohnern, 60. 000 in Indien mit 1,2 Mrd. Einwohnern; 30.000 Geschäftsstellen in China bei 1,3 Milliarden Einwohnern. Dort ist unser Wachstumspotenzial besonders groß, zumal wir in China die Post und internationale wie regionale Banken als Partner haben.

Standard: Die immer strenger werdenden Geldwäsche-Richtlinien bremsen Ihre Geschäfte ...

Ersek: Das sehe ich nicht so. Wir investieren jährlich 40 Millionen Dollar in Anti-Geldwäsche-Vorkehrungen, erfüllen alle Regeln, arbeiten eng mit Aufsehern und Behörden zusammen. Das bringt uns sogar zusätzliches Geschäft, weil zum Beispiel Banken, die die Anti-Geldwäsche-Richtlinien nicht erfüllen können, Überweisungen über uns machen, weil wir das sehr wohl tun. Wenn bei uns etwas Verdächtiges auftaucht, stoppt unser System die Überweisung binnen Sekunden. Das ist aber sehr selten notwendig.

Standard: Welches Segment wächst denn derzeit am stärksten?

Ersek: Die inneramerikanischen Überweisungen: plus 28 Prozent. Das liegt daran, dass die US-Banken Überweisungen über uns machen. Denn im Gegensatz zu Europa gibt es in den USA keinen einheitlichen Zahlungsverkehr unter Banken. Da sind Bank-zu-Bank-Überweisungen so kompliziert, dass sie uns beauftragen. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.9.2010)