Den Bowler trägt Joseph Maria Olbrich weltmännisch auf dem Kopf, ein verschmitztes Grinsen im Gesicht. Der galante Gruß galt vielleicht den ehemaligen Wiener Wegbegleitern, jedenfalls aber dem fotografierenden Fritz Wärndorfer, jenem Industriellen, der zwei Jahre später die Gründung der Wiener Werkstätte finanzierte. Stolz steht der von Großherzog Ernst Ludwig zwei Jahre zuvor nach Darmstadt Berufene vor seinem soeben erst bezogenen Haus auf der Mathildenhöhe, wohin es ihn entsprechend seiner Theorie, nach einem Tag emsiger Arbeit zieht, um den Künstler mit dem Menschen einzutauschen.

Der 31-Jährige war am Ziel seiner Wünsche: "Endlich eine kleine begeisterte arbeitsfreudige Gesellschaft, in einer Stadt, die so glücklich ist, weder Glaspalast noch Akademie zu besitzen" , der "die beengenden Normen und Paragraphen" fehlen, schrieb er in einem 1901 veröffentlichten Bericht. Hier in Darmstadt habe er keinen Kampfplatz vorgefunden, keinen, "wo zwischen Alt und Jung ein heftiges Ringen noch fortbesteht" , lässt er eine wohl an Wien adressierte Kritik erahnen. Von 1894 bis zu seiner Übersiedlung nach Deutschland war Olbrich Mitarbeiter im Architekturbüro Otto Wagners. Erst seine Entscheidung für Darmstadt ebnete Josef Hoffmanns Professur an der Wiener Kunstgewerbeschule.

Preisgekrönte Anerkennung

Auf der Pariser Weltausstellung 1900 war der Architekt mit zwei Länderbeiträgen vertreten: Für Österreich schuf er ein als luxuriöser Yachtsalon gedachtes Ensemble. Für Deutschland heimste sein "Darmstädter Zimmer" besonders viel Lob ein. Als entscheidendes Qualitätsmerkmal attestierte die Kritik die spezifische Verbindung von Zurückhaltung und Noblesse: "Olbrich beweist allein in diesem einzigen Zimmer, dass seine Kunst bescheidener und darum größer und wertvoller ist, als diejenige des Gros seiner Landsleute" . Auch bei Ausstellungen in Turin (1902) und St. Louis (Weltausstellung 1904) fanden Olbrichs Arbeiten enorme Anerkennung mit durchaus auch kommerziell erfolgreichen Konsequenzen. Die Ausstattung von St. Louis wurde gleich vor Ort verkauft, an Privatpersonen und vor allem an John Wanamaker, den damals größten Innenausstatter der USA mit Niederlassungen in New York und Philadelphia.

Die internationale Wertschätzung hat die Jahrzehnte nur eingeschränkt überdauert. Auf dem Kunstmarkt gilt Joseph Maria Olbrich - dessen Schaffen durch seinen überraschenden Tod 1908 überschaubar blieb - im Vergleich zu Josef Hoffmann als völlig unterbewertet. Bedingt könnte es, um es mit Wolfgang Bauers Theorie zu mutmaßen, an stilistischen Merkmalen liegen. Denn die Leichtigkeit, die Eleganz, sei Olbrichs Entwürfen fern der in Wien grassierenden Innovationsfreude bald abhandengekommen.

Insofern ist das Preisgefüge der im Rahmen der Herbstausstellung in der Bel Etage (1. Oktober - 23. Dezember) zum Verkauf stehenden Olbrich-Arbeiten ein moderates. Die 1899 ausgeführte Blumensäule (9500 Euro) und Kleiderhaken (je 1600), weiters seltene Uhren oder von Bakalowits & Söhne um 1900 produzierte Krüge und die Bowleschale (2800) wurden in der umfassenden Retrospektive im Leopold-Museum präsentiert.

Initialzündung für den Markt?

Montagabend geht diese in Kooperation mit dem Institut Mathildenhöhe Darmstadt konzipierte Schau zu Ende, in der unter den insgesamt 454 Leihgaben auch die bisherigen Auktionsrekorde zu sehen waren: Ein für Turin entworfener kleiner Hochschrank (Sotheby's London 2005: 74.570 Euro) oder das mit Perlmutt- und Elfenbeinintarsien verzierte Mahagoni-Schmuckkästchen (Christie's London 2000: 35.300 Euro).

In Österreich liegt der vorläufige Höchstwert bei 24.000 Euro für einen Notenschrank von 1905 (Dorotheum, 2006). Als repräsentativ für die gegenwärtige Nachfrage steht ein im Juni bei Christie's in New York erzieltes Resultat, als ein einzelner Armlehnstuhl von 1899 für rund 19.300 Euro den Besitzer wechselte. (Olga Kronsteiner, ALBUM/DER STANDARD - Printausgabe, 25. September 2010)