Das Wiener Polizeianhaltezentrum ist letzte Station vor der Abschiebung von Asylwerbern

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Klagenfurt - Die Fremdenpolizei kam im Morgengrauen. Überfallsartig wurde Mittwochfrüh Asylwerber Seid S., mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn in ihrer Klagenfurter Wohnung festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum (Paz) Klagenfurt eingeliefert.

Die dreiköpfige albanischstämmige Familie aus Mazedonien hatte kaum genügend Zeit um persönliche Gegenstände einzupacken. Alarmierte Kärntner Freunde brachten ihnen das Allernotwendigste in die Zelle nach. Noch am Abend wurde Familie S. in einen Bus verfrachtet und ins Schubhaftzentrum nach Wien gebracht. Von dort wurden sie Donnerstagfrüh per Flugzeug nach Mazedonien abgeschoben.

Familie S., deren Asylverfahren mit dem 8.3. 2008 rechtskräftig in zweiter Instanz negativ ausging, hatte am 10. März 2010 bei der Bundespolizeidirektion Klagenfurt Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen (das so genannte Bleiberecht) gestellt. Darüber war noch nicht entschieden worden. Dennoch wurden sie abgeschoben.

Fälle häufen sich

Seit der jüngsten Fremdenrechtsnovelle, die mit 1. 1. 2010 in Kraft trat, haben solche Anträge auf humanitäres Bleiberecht nämlich keine aufschiebende Wirkung mehr. Fälle wie jener der Familie S. häufen sich nicht nur in Kärnten, sondern im gesamten Bundesgebiet. Sie betreffen auch zunehmend sogenannte "Altfälle", also Asylwerber, die erst nach mehr als fünf Jahren Instanzenzug abschlägige Asylbescheide erhalten.

Anwalt: "Rechtswidrig"

Für Asylanwalt Farhad Paya ist dieses Vorgehen der Fremdenpolizei allerdings "rechtswidrig". Paya bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu Paragraf 44 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, wonach bei negativem Ausgang eines Asylverfahrens die Ausweisung zwar formal korrekt ist, diese aber faktisch dennoch nicht durchgeführt werden darf - wenn die Asylwerber bereits seit 1. 5. 2004 durchgängig in Österreich ansässig sind, gegen sie kein aufrechtes Aufenthalts- oder Rückkehrverbot besteht und sie entsprechende Kriterien für ihre erfolgreiche Integration erfüllen. "Dann ist eine Abschiebung gemäß Artikel 8 der Menschrechtskonvention-EMRK nicht zulässig", argumentiert Paya.

Gut integriert

Demnach dürfte die Familie S. nicht aus Österreich, das sie nach acht Jahren Aufenthalts als ihren zentralen Lebensmittelpunkt sehen, herausgerissen werden. Herr S. hat bereits 2003 eine kurzzeitige Beschäftigungsbewilligung erhalten, seine Frau Deutsch- und Intensivkurse für Migrantinnen an der Universität Klagenfurt erfolgreich abgeschlossen. Frau S. leidet auch an psychischen Problemen, die wiederholt im Klinikum Klagenfurt behandelt wurden. Der Sohn besucht die dritte Klasse der HTL in Ferlach. Er gilt als sehr guter Schüler und steht ein Jahr vor seinem Maturaabschluss.

Für die zuständige Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau ist die erfolgte Abschiebung rechtens: "Das Asylverfahren war negativ und sie waren bereits aus der Grundversorgung entlassen worden, daher waren sie auszuweisen", sagt Heiko Sandrisser zum Standard.

"Abschiebungen durchzuführen, ohne die Entscheidung zum humanitären Bleiberecht abzuwarten, sind inhuman und eines demokratischen Staates unwürdig", ärgert sich Paya: "Die Menschen können ja nichts dafür, wenn ihre Verfahren so lange dauern."

Das eigentliche Problem jedoch sei, so Paya, dass sich die Bestimmungen des österreichischen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes und die neue Fremdenrechtsnovelle sozusagen gegenseitig aufheben. Paya hat übrigens die Fremdenrechtsnovelle 2010 bereits beim Verfassungsgerichtshof im Zuge eines ähnlichen Abschiebefalles angefochten. Die Entscheidung des Höchtsgerichts steht noch aus. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD Printausgabe, 23.9.2010)