Grafik: STANDARD

Wien - Die von der ÖBB anvisierte Einstellung von mindestens 29 unrentable Nebenbahnenstrecken in Österreich (auf Eisenbahnerisch C-Netz genannt) wird politisch brisant. Denn um die Berechtigung bzw. Verpflichtung zum Zugfahren loszuwerden, braucht es die Zustimmung der Eisenbahnbehörde, also von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ).

Sie muss die ÖBB von der (lästig gewordenen) Verpflichtung, auf der Schiene in der Verlustzone herumzukurven, offiziell entbinden. Da keine Erhöhung der Subventionen für den öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr in Sicht ist, sondern ab 2011 eine empfindliche Kürzung dieser „Gemeinwirtschaftlichen Leistungen" (GWL) ins Haus steht, muss die Bahn bei den jährlich drei Millionen „eigenwirtschaftlich", also ohne GWL-Zuschuss erbrachten Zugkilometern im Nahverkehr die Notbremse ziehen. Heuer bekommt der Personenverkehr rund 550 Mio. Euro aus dem GWL-Topf, im Vorjahr waren es 532 Mio. Euro.

Die Liste unrentabler und aus ÖBB-Sicht entbehrlicher Streckenabschnitte ist lang (siehe Grafik), wenigstens 29 davon will der ÖBB-Personenverkehr ehebaldigst stilllegen. Hinzu kommen eine Reihe von Linien, die der ÖBB-Güterverkehr RCA nach dem bereits eingeleiteten Rückzug aus der Fläche nicht mehr bedienen wird, weil Verschubknoten und Güterannahmestellen gebündelt und reduziert werden.

Im Verkehrsministerium ist man über die seit einem Jahr gewälzten Zusperrpläne naturgemäß informiert (im Aufsichtsrat der ÖBB-Infrastruktur sitzen Beamte). Da ein Antrag auf Streckenabgabe aber noch nicht eingebracht wurde, kann eine Sprecherin auf den Umstand verweisen, dass es derzeit nichts zu Entscheiden gebe. ÖBB-Chef Christian Kern verweist auf Gespräche mit dem Eigentümer, die erst zu führen seien. Zahlen die Länder mit, könne der Betrieb weitergehen.

Stilllegung beschleunigen

Untätig ist die Bahn, die sich laut internen Unterlagen allein durch die Schließung von 29 Nebenbahnen 174 Millionen Euro an Investitionen ersparen könnte, bis zu einer Entscheidung natürlich nicht: Laut Insidern wurde im Sommer fixiert, in 19 Streckenabschnitte nichts mehr zu investieren und so deren Stilllegung zu beschleunigen. Das dürfte insbesondere den Oberösterreichern, mit denen Bures gerade über die Nebenbahnenfinanzierung verhandelt, nicht bekommen, denn betroffen ist die Mühlkreisbahn (Rottenegg-Aigen-Schlägl) ebenso, wie Ried/Innkreis-Neumarkt-Schärding oder Laakirchen-Gmunden (Seebahnhof).

In Niederösterreich, wo die Schließung von Thaya- und Donauuferbahn seit Monaten Bürgermeister auf die Barrikaden treibt, wird es für den Zug von Wiener Neustadt nach Puchberg am Schneeberg eng. Da der ÖBB-Personenverkehr seine Hälfte an der Schneebergbahn an die Niederösterreichische VerkehrsorganisationsgmbH (Növog) verkaufen will, sieht man offenbar keine Notwendigkeit mehr, in Eigenregie eine Bahnlinie zum höchsten Berg Niederösterreichs zu betreiben.

Kein Zug heißt freilich nicht, keine Verkehrsanbindung. Denn die ÖBB würde ihre defizitären Zugverkehre gern durch den billigeren ÖBB-Postbus ersetzen. Da die Länder Buskonzessionen aber ausschreiben, würde sie Verkehre verlieren. Um das zu verhindern, will die ÖBB nun beim Bund eine gesetzliche Regelung zu erwirken, die einen Abtausch von Verkehrsleistungen innerhalb des ÖBB-Konzerns ermöglicht.(Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.9.2010)