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Politologe Hajek: "Ab Pensionsantrittsalter gilt das Wahlrecht noch für zehn Jahre und dann verfällt es."

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Parteien buhlen um Pensionisten-Wählergruppen. Österreichweit stellen sie 25 Prozent der Wählerschaft dar.

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Bei der Nationalratswahlen 2008 wählten 38 Prozent der Pensionisten SPÖ, 24 Prozent ÖVP und 18 Prozent FPÖ. Grüne und BZÖ erreichten nicht mehr als zehn Prozent.

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1986 sang Herbert Grönemeyer „Kinder an die Macht" - die demographische Entwicklung bis 2030 deutet allerdings darauf hin, dass in Zukunft eher Pensionisten an der Macht sein werden.

In Wien leben 350.000 Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Diese Bevölkerungsgruppe wächst stetig. Österreichweit liegt der Anteil der wahlberechtigten SeniorInnen bei fast 25 Prozent, bis 2030 wird der Anteil auf ein Drittel steigen. Pensionisten stellen damit die größte Wählergruppe dar. Droht deswegen eine „Rentnerdiktatur", wie die deutsche Zeitschrift Stern schreibt?

"Das ist wirklich eine Gefahr"

„Wenn ein Drittel der Wählerschaft im pensionsfähigen Alter ist, dann ist das die bestimmende Wählerschaft, das ist wirklich eine Gefahr," sagt Politologe Peter Hajek im Gespräch mit derStandard.at. Daher gebe es inzwischen Überlegungen, Familien mit Kindern ein mehrfaches Wahlrecht zu übertragen, das hieße: Eine Stimme zusätzlich pro Kind.

Hajek geht aber noch weiter: „Mein Vorschlag wäre: Ab Pensionsantrittsalter gilt das Wahlrecht noch für zehn Jahre und dann verfällt es. Das hat zwei Vorteile, die drohende Rentnerdiktatur wird gebrochen und gleichzeitig wäre es auch ein Anreiz, dass die Menschen im Arbeitssystem bleiben." Der Politologe räumt aber ein, dass dies ein Modellvorschlag sei, der zum Nachdenken anregen soll. Er zweifle an der Umsetzbarkeit dieses Vorstoßes.

Trotzdem solle man sich eine Wahlrechtsreform heute überlegen und nicht erst in 20 Jahren. „Heute sag ich, ‚Ja unbedingt‘, in 20 Jahren, wenn ich selbst davon betroffen bin, sage ich ‚Nein, um Gottes Willen‘."

Seniorenmesse als Wahlkampfzone

Wähler, die davon betroffen wären, tummeln sich zahlreich auf der Floridsdorfer Seniorenmesse. Die Veranstaltung ist ganz auf die Bedürfnisse der älteren Generation ausgerichtet: Informationsstände von der Volkshilfe bis zu Anbietern von Hörgeräten und zur Bestattung Wien sind im Haus der Begegnung aufgebaut.

Die Seniorenmesse gleicht auch einer Wahlveranstaltung: Sozialminister Hundstorfer hält eine kurze Begrüßungsrede, diverse rote Stadträte sind als Redner angekündigt und nützen das Terrain um zwei Wochen vor der Wahl auf Stimmenfang zu gehen. Eine Seniorin zeigt sich von den anwesenden Politikern unbeeindruckt: „Schauen Sie, ich bin über achtzig. Ich habe mein Leben lang SPÖ gewählt und werde es weiter bis zu meinem Tod machen." 

"Höherer Wahlethos"

„Pensionisten wählen unabhängig von der Rentenpolitik", sagt auch Peter Hajek. Obwohl die Parteien sehr große Rücksicht auf sie nähmen, seien Senioren StammwählerInnen. „Pensionisten haben aber sicherlich einen höheren Wahlethos als Jungwähler, nehmen ihre Wahlpflicht ernst, identifizieren sich mehr mit der Ideologie einer Partei und bleiben ebendieser treu," so Hajek. 

Bei den Nationalratswahlen 2008 konnte die SPÖ bei Senioren einen Stimmenanteil von 38 Prozent erreichen, die ÖVP folgt mit 24 Prozent, dann FPÖ mit 18 Prozent. Grüne, BZÖ und andere Parteien können die Zehn-Prozent-Marke nicht überschreiten. 

„Wiener ÖVP ist eine alte Partei"

Im aktuellen Wahlkampf in Wien spielen Senioren als Zielgruppe keine aktive Rolle. „Aber es gibt auch keine Partei, die ihre Wahlkampagne explizit auf Jugendliche ausrichtet." Die ÖVP hat mir Gerhard Tötschinger einen Kandidaten gewählt, der als Person diese Pensionisten anspricht. Jedoch entspreche das dem Grundproblem der Wiener ÖVP. „Die Wiener Schwarzen sind eine alte Partei, eine reine Stammwählerpartei, die versucht, ihre Wählergruppe zu mobilisieren ", sagt Hajek. Die Wählerschaft der SPÖ sei breiter gestreut - bei einer absoluten Mehrheit auch nicht weiter verwunderlich.

"Als Pensionist fällt man durchs Netz"

Zwei Floridsdorfer Damen geben sich auf der Seniorenmesse von der Politik enttäuscht. „Wir wählen gar nicht mehr", erklären sie unisono. Man müsste die Politik ganz neu erschaffen, denn alle Politiker seien korrupt, sagt die resolutere der beiden Frauen erbost. Ihre Begleiterin schwächt ab: „Als Pensionist fällt man durchs Netz. Wir kriegen nur einen Tausender Pensionen, Ausländer und Alleinerziehende bekommen alles vom Staat hineingeschoben." Sie hätten beide jahrelang SPÖ gewählt, aber nun sehen sie keinen Zweck mehr dahinter, das Wahlergebnis sei schon vorbestimmt. Hajeks Vorschlag Pensionisten nach zehn Jahren das Wahlrecht zu entziehen, stehen sie positiv gegenüber. Sie wollen ohnehin nicht mehr wählen gehen und würden ihr Wahlrecht sofort abgeben. (Marie-Theres Egyed, derStandard.at, 23.9.2010)