Da staunt der Guru: Die Dokumentation "Am Anfang war das Licht" wurde als "besonders wertvoll" klassifiziert.

Foto: Thimfilm/Allegro

Wien - Es beginnt alles ganz harmlos und fast naiv: Der Filmkritiker P. A. Straubinger erzählt in den ersten Einstellungen seiner Dokumentation "Am Anfang war das Licht", wie er vor vielen Jahren auf das Phänomen "Lichtnahrung" gestoßen ist, wie er sich immer mehr dafür zu interessieren begann und mithilfe von Google immer mehr darüber herausfand.

Die Faszination wurde so groß, dass der Ö3-Mann keine Kosten und Mühen scheute, dem Phänomen auf den Grund zu gehen - "einem der größten Rätsel der Naturwissenschaften", wie es im Pressetext zum Film heißt. Sechs Jahre recherchierte der Neo-Filmemacher, er reiste dafür unter anderem nach Indien, Russland, China oder die USA und befragte alle möglichen Praktizierenden und Experten zum Thema.

Zum Beispiel Jasmuheen, die Predigerin des "Lichtfastens", das im Wesentlichen aus einer 21-tägigen Radikalfastenkur besteht, bei der in der ersten Woche auch nichts getrunken werden darf. Drei Menschen hat dieser unverantwortliche Esoterik-Unfug bisher das Leben gekostet. Immerhin wird die attraktive Mittfünfzigerin damit konfrontiert. Und auch die ersten, unsympathisch ins Bild gerückten "Schulmediziner" äußern sich skeptisch.

So mag für manche Zuseher der Eindruck entstehen, dass sich der Filmemacher um Unvoreingenommenheit bemüht. Warum Jasmuheen 1999 indes ein überwachtes Lichtfasten nach ein paar Tagen wegen Verdurstungssymptomen abbrach, wird verschwiegen und bleibt tabu. (Dafür wirbt sie jetzt auf ihrer Homepage für den Film.)

Aber es gibt nicht nur die Licht-Esserin Jasmuheen. Rechercheprofi Straubinger spürt in allen möglichen Ländern und Kulturen Menschen auf, die nach eigenen Angaben seit Jahren ohne Nahrung auskommen: einen deutschen Nur-Trinker (mit Doktorat), eine vollschlanke Russin oder einen übergewichtigen Inder.

70 Jahre ohne Speis & Trank

Der Star des Films ist aber eindeutig Guru Prahlad Jani, der angeblich seit 70 Jahren nichts isst und trinkt und das mit zwei Aufenthalten in einer indischen Privatklinik "bewies". Straubinger war natürlich dort und befragte die behandelnden Ärzte. Dass die "Bezeugung" eines derartigen medizinischen Wunders im PR-Interesse der Klinik sein könnte, wird natürlich nicht in Erwägung gezogen. Dass dabei wohl geschwindelt wurde, natürlich auch nicht.

Dafür müsste man nämlich schon bei Wikipedia unter den Stichworten "Lichtnahrung" oder "Prahlad Jani" recherchieren. Oder sich bei Youtube das kurze Gratisvideo Powered by Sunlight von James Randi anschauen. Das ist jener Ex-Zauberer und Skeptiker, der von Uri Geller angefangen bis jetzt noch alle "Wunder" als Betrug entlarvt hat und bis heute auf jener Million Dollar sitzt, die seine Stiftung für den ersten stichhaltigen Wunderbeweis ausgesetzt hat.

Schließlich macht ja auch Straubinger mit der Sehnsucht nach Unerklärlichem sein manipulatives Geschäft: Im letzten Drittel des Films rührt er aus tendenziös zusammengeschnittenen Aussagen von Menschen, die als wissenschaftliche Autoritäten präsentiert werden, einen unverdaulichen Brei aus Quantenphysik, Bio-Fotonen und Bewusstseinsforschung an. Damit soll das Pseudophänomen erklärt werden, das - um es zynisch zu Ende zu denken - allen Verhungernden und Anorektikern dieser Welt neue Hoffnung geben müsste.

Viele dieser stichwortgebenden Fachleute sind Parawissenschafter reinsten Wassers, die meisten mit fragwürdiger Reputation. Sie in Sachen "Lichtnahrung" um Auskunft zu bitten ist etwa so seriös wie Kreationisten über die Evolution zu befragen oder Klimawandelleugner über den Klimawandel. Das größte Wunder und Ärgernis rund um das antiaufklärerische Machwerk ist freilich, dass es mit dem Prädikat "Besonders wertvoll" ausgezeichnet wurde und damit für Schulvorstellungen zur Verfügung steht. Mahlzeit! (Klaus Taschwer / DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2010)