Für Ex-SBB-Chef Benedikt Weibel führt nur ein Weg zu besseren Öffis: mehr Züge, mehr Service, mehr Pünktlichkeit.

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Wien - "Wenn der Bund alles zahlt, fordern die Regionen nur. Daher müssen Kantone und Kommunen zahlen, sonst wird das nichts mit dem öffentlichen Verkehrsangebot." Wenn Benedikt Weibel über das Erfolgsgeheimnis der Schweizerischen Bundesbahn (SBB, deren Chef er bis 2006 war), spricht, dann bringt er die Dinge schonungslos auf den Punkt.

Die Eidgenossen haben ihre Kantone und Kommunen bei der Reform "Bahn 2000" 1987 finanziell in die Pflicht genommen. Sie zahlen kräftig mit, und die Provinzpolitiker haben deshalb auch ein vitales Interesse, dass Busse und Regionalbahnen in die Taktfahrpläne der SBB-Schnellzüge eingebunden sind. "Die Verknüpfung von Provinzstädten und Umlandgemeinden ist das Um und Auf", stellte Weibel in der vom Ökosozialen Forum veranstalteten Diskussion "Nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum" am Montagabend klar.

Ins gleiche Horn stieß Gunter Mackinger, Verkehrsdirektor der Stadt Salzburg und gelernter Eisenbahner. Die Anrainergemeinden der vom Land Salzburg wiederbelebten Pinzgaubahn mussten sich beispielsweise verpflichten, für Schneeräumung und Wegewartung entlang der Gleisanlagen zu zahlen und keine Straßenausbauten als Konkurrenz zur Bahn vorzunehmen. Die Fahrgastzahlen - von 220.000 bei der Übernahme vor drei Jahren auf 660.000 heuer - geben Mackinger recht. "Das alles geht aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen."

Waltraud Wagner vom Verkehrsplaner Komobile Wien legt nach: "Die Raumplanung ist der Schlüssel." Je zersiedelter die Landschaft, desto schlechter und teurer die Verkehrsanbindung. Wagner fordert deshalb die Koppelung der Wohnbauförderung an die Flächenwidmung. Zudem seien einzelne Gemeinden mit der Lösung drängender Verkehrsprobleme überfordert, mit dem Bau von Einkaufszentren würde Verkehr produziert statt vermieden. Daher sei eine gesamtstaatliche Raumplanung nötig. Für die fehlen in Österreich allerdings die Gesetze, denn Flächenwidmung ist Gemeinde- und Ländersache.

Klar zeigt das Beispiel Schweiz freilich auch, dass der Monopolist SBB von Politik und Bevölkerung zu gravierenden Kursänderungen gezwungen werden musste. Wohl sei das Projekt "Bahn 2000" von der SBB kreiert worden, aber "das Parlament hat uns damals ein Halbtax-Abo um 100 Franken aufoktroyiert, das kostete bis dahin 360 Franken pro Jahr", sagt Weibel, der als Aufsichtsratspräsident des ÖBB-Konkurrenten Rail Holding AG ein vitales Interesse an besserer Verkehrspolitik in Österreich hat. Der mit der ÖBB-Vorteilscard vergleichbare Halbpreispass habe zunächst Einnahmen gekostet, sei samt Halbstundentakt mit zwei Millionen Kunden binnen Jahresfrist aber ein Riesenerfolg geworden. "Öffentlicher Verkehr kostet viel Geld, daher muss die Politik den Rahmen setzen. Es ist ja Steuergeld."

Die Kritik von Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler, die ÖBB bekomme mehr Subventionen als alle Bauern zusammen, relativiert Weibel mit einem Seitenhieb: "Bei uns bekommen beide ungefähr gleich viel, je vier Milliarden Franken. Dafür zahlen die Schweizer höhere Preise für Agrarprodukte, die Bahn können aber wenigstens alle benützen." (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2010)