Am vergangenen Montag hat in Baden-Württemberg die Schule wieder angefangen. Doch in einigen Klassenzimmern wird der eine oder andere Stuhl leer bleiben, weil auch in diesem Jahr wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Mädchen während des Urlaubs im Heimatland ihrer Eltern zwangsverheiratet wurden.

Nicht bei allen Betroffenen hätte es so weit kommen müssen. Manche dieser Mädchen ahnen, dass sie zwangsverheiratet werden sollen und wenden sich vorher zum Beispiel an das Jugendamt. Dort tut sich die zuständige Person oft sehr schwer, da solch ein Fall nicht dem alltäglichen Erfahrungsschatz entspricht. Manchmal wird die Gefahr auch nicht ernst genug genommen - mit fatalen Folgen für die jungen Frauen.

Daher organisiert die Frauenrechtsorganisation "Terres des Femmes" im Rahmen eines einjährigen Pilotprojekts zehn Workshops, um MitarbeiterInnen von Behörden zu schulen. Das Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds gefördert und von Sozial- und Justizministerium unterstützt.

Fachwissen und Sensibilisierung fehlen

"Diese Workshops sind überfällig", betont Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von Terres des Femmes. "Seit Jahren erleben wir fast täglich, dass bedrohten Mädchen nicht adäquat geholfen wird, weil die nötige Sensibilisierung und das Fachwissen fehlen." Auch Landessozialministerin Monika Stolz, Unterstützerin des Projekts, unterstreicht: "Kulturelle und ethnische Vielfalt gehört zu den Stärken unseres Landes und bedeutet eine Bereicherung unseres Lebens. Zwangsverheiratungen sind aber kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung, das ist nicht akzeptabel, da können wir keine Kompromisse eingehen."

Ab 21. Spetember finden die Workshops statt, erst in Tübingen, dann in Stuttgart, Heilbronn, Mannheim, Konstanz, Villingen-Schwenningen, Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Ulm. Expertinnen wie Fatma Bläser und Collin Schubert vermitteln spezielles Fachwissen und schulen die TeilnehmerInnen anhand von praktischen Fallbeispielen. So soll vor allem der Dialog zwischen den Fachkräften und Institutionen gefördert werden, die sich in ihrer täglichen Arbeit - aus ganz verschiedenen Blickwinkeln heraus - mit dem Thema beschäftigen. (red)