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Schwedische Zeitungen nannten es einen "historischen Sieg". Doch für eine Mehrheit im Parlament fehlen dem bisherigen Premier Fredrik Reinfeldt drei Mandate. Er will sie nun zunächst bei den oppositionellen Grünen suchen.

Foto: APA/EPA/Lundahl

Stockholm - Schwedens Premier Fredrik Reinfeldt will nach den Parlamentswahlen am Sonntag nun mithilfe der Grünen im Amt bleiben. Am Montag bat er die Umweltpartei um ihre Kooperation beim Bilden einer Regierung.

Seine bürgerliche Koalition hatte zuvor eine Mandatsmehrheit knapp verfehlt. Die Grünen wollten vor Gesprächen zunächst das amtliche Endergebnis am Mittwoch abwarten und zeigten sich gegenüber Reinfeldts Angebot skeptisch. "Wir werden sehen, was er anbietet, sagte Sprecher Peter Eriksson. Indessen kündigten Menschenrechtsaktivisten Demonstrationen gegen die ausländerfeindlichen Schwedendemokraten an, die zuvor erstmals den Einzug ins Parlament schafften.

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Aller Augen waren am Montag auf Schwedens Grüne gerichtet. Nach den Wahlen am Sonntag, die keine eindeutige Mehrheit brachten, könnte ihnen die Rolle des Königsmachers zufallen. Dem bisherigen Premier Fredrik Reinfeldt fehlen drei Mandate im Parlament. Da er die ausländerfeindliche "Schwedendemokraten" (SD) von parlamentarischem Einfluss fernhalten will, ist er auf die Unterstützung der Umweltpartei angewiesen.

Am Montag erneuerte er das schon am Wahlabend vorgebrachte Gesprächsangebot an die Grünen. Beobachter sehen eine Zusammenarbeit zwischen dem bürgerlichen Minderheitskabinett und den Grünen als wahrscheinlichstes Szenario - auch wenn sich offizielle Repräsentanten der Grünen bislang demonstrativ abweisend geben. Man sei nicht bereit, als Steigbügelhalter einer Regierung zu fungieren, die den Ausbau der Atomkraft befürworte sowie tausende Menschen mit strengeren Regeln zur Krankenvorsorge ins soziale Elend befördert habe, erklärten die Parteisprecher Maria Wetterstrand und Peter Eriksson.

Trotz schwer überbrückbarer Differenzen in der Atompolitik plädiert eine Reihe prominenter Grünen-Mitglieder, darunter Parteigründer Per Gahrton, für eine Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Koalition: Die Partei habe bei Anliegen wie der Zuwanderung von Schlüsselarbeitskräften und der Förderung von Kleinunternehmen mit den Bürgerlichen durchaus übereinstimmende Positionen.

Sollte eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht zustande kommen, ist Regierungschef Reinfeldt formal gleichwohl nicht zum Rücktritt gezwungen. Erst ab der Wahl im Jahr 2014 gilt die neu geschaffene Regel, wonach ein Premier ohne Parlamentsmehrheit nach der Wahl automatisch zurücktreten muss. An dem Vorsatz, notfalls in Minderheit zu regieren, hält Reinfeldt fest. Eine weitere Möglichkeit für den Fall, dass die Grünen das Angebot ausschließen, besteht im Einholen parlamentarischer Hilfe für konkrete Fragen bei jeweils unterschiedlichen Parteien des linken Blocks.

Budget auf breiter Basis

In einer Reihe von Fragen, so bei der Verabschiedung des Staatshaushalts, wird zudem breite Zustimmung erwartet. Ein von der rot-grünen Opposition und den Schwedendemokraten gemeinsam vorgebrachtes Misstrauensvotum gilt als äußerst unwahrscheinlich.

Für den Fall, dass die Grünen Gespräche ablehnen, bleibt eine gewisse Unsicherheit. Da sich Regierungschef Reinfeldt ausdrücklich gegen jegliche Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten ausgesprochen hat, sind auch Neuwahlen nicht auszuschließen. Denn das nachdrückliche Gesprächsangebot der Schwedendemokraten haben die anderen Parteien ignoriert. Politologen warnen nun davor, offenkundige Integrationsprobleme auszublenden und die Politik des Totschweigens von SD-Positionen fortzusetzen.

Eine sachliche Analyse des Programms der SD sei infolge des allgemeinen Schweigens der etablierten Parteien und Medien ebenso verabsäumt worden wie eine Diskussion über Probleme wie auch Vorteile der Integration, sagte der Staatswissenschafter Olof Ruin der Zeitung Dagens Nyheter.

Den mit Abstand größten Erfolg hatten die Schwedendemokraten in den Einwanderungs-Ballungsgebieten im Süden Schwedens erzielt, wo wachsende Kriminalität und muslimische Radikalisierung Anlass zur Sorge geben.

Für die Wähler der SD, die laut Umfragen Sympathisanten aus sämtlichen politischen Lagern abgezogen haben, spielte nach Untersuchungen die Angst vor einer zunehmenden "Islamisierung" des Landes eine wichtige Rolle. An einer grundlegenden Diskussion über die Ausrichtung der Einwanderungs- und Integrationspolitik im eigenen Land kommt eine künftige schwedische Regierung wohl kaum vorbei. (Anne Rentzsch aus Stockholm/DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2010)