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Peter Schaar (56) ist seit 2003 der deutsche Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Er ist vom Bundestag bis 2013 gewählt.

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Unbekümmerte Niederländer: Ein Spezialfahrrad fährt unter reger Anteilnahme durch den Vergnügungspark Efteling, um Street-View-Bilder zu knipsen. In Deutschland gehen dagegen die Wogen hoch. 

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Standard: Haben Sie schon die Pixelung Ihrer Wohnung beim umstrittenen Geodienst Google Street View beantragt?

Schaar: Ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen. Wir wollen erst einmal abwarten. Unabhängig davon trete ich aber für das unbedingte Widerspruchsrecht jeden Mieters und Hausbesitzers gegenüber Google Street View und anderer Geodienste ein.

Standard: Was schlagen Sie dem Innenminister am Montag beim Gespräch über den Umgang mit Geodaten vor?

Schaar: Wir dürfen uns nicht auf Google Street View oder andere Geodienste beschränken. Es geht auch um Satellitenaufnahmen, die so genau sind, dass man bis auf die Terrasse schauen kann. Wenn solche Aufnahmen mit systematischer geografischer Erschließbarkeit ins Internet gestellt werden und man die Adresse feststellen kann, muss man sich wehren können.

Standard: Bei Google Street View läuft die Einspruchsfrist noch bis 15. Oktober. Reicht das?

Schaar: Das große Problem, das ich hier sehe, ist: Wer widerspricht, gibt Google ja weitere persönliche Informationen über sich preis, den Namen, die Adresse. Das lässt viele dann wieder zögern und ich kann das sehr gut verstehen.Wir brauchen eine andere Lösung.

Standard: Was schlagen Sie vor?

Schaar: Eine digitale Robinson-Liste. Der Ausdruck bezeichnet in Deutschland ursprünglich eine Liste für Leute, die keine Werbung bekommen wollen. Wir brauchen eine solche zentrale Widerspruchsliste auch für den digitalen Bereich. Das hätte den Vorteil, dass man nicht bei jedem einzelnen Geodienst gegen die Darstellung seines Hauses im Internet Einspruch einlegen muss. Man könnte es ein für alle Mal bei dieser Widerspruchsliste erledigen. An diese müssen sich dann alle Geodienste bei ihren Veröffentlichungen auch halten.

Standard: Vielen Menschen ist es völlig egal, ob ihre Hausfassade im Internet gezeigt wird.

Schaar: Es geht ja nicht um die Hausfassaden. Es geht um die systematische Verknüpfung von Daten. Dadurch wird es jedem Privatmenschen und jeder staatlichen Stelle möglich gemacht, sich mal anzusehen, wo die Leute denn so wohnen. Wir hatten in Deutschland schon einmal so eine Debatte, als Ende der Neunzigerjahre ein Telefonbuchverlag zu seiner CD auch Straßenansichten anbot.

Standard: Was ist schlecht daran?

Schaar: Stellen Sie sich vor: Ein Mann eröffnet ein Konto und möchte einen Kredit. Dann kann die Bank nachschauen, in welcher Gegend er wohnt. Oder ein Arbeitnehmer schaut erst mal im Internet nach, wo sein Bewerber für den Job überhaupt zu Hause ist.

Standard: Dafür braucht er keine Geodienste. Er kann sich ins Auto setzen und direkt vor Ort schauen.

Schaar: Richtig. Aber die Zeit wird er sich nicht nehmen. Geoscoring würde ihm das erleichtern. Ich will ja nicht, dass es grundsätzlich verboten ist. Ich plädiere für einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen solcher Unternehmen und Menschen, die es tangiert.

Standard: Die Ortung durch Smartphones, wie sie viele vor allem junge Leute praktizieren, gefällt Ihnen auch nicht.

Schaar: Noch einmal: Wenn jemand das möchte, soll er es machen. Aber ich lehne Zwangs- Exhibitionismus ab. Wir brauchen vorher eine Einwilligung auf Basis breiter Information. Die meisten Leute wissen ja gar nicht, was sie alles preisgeben. Man kann verfolgen: Geht der in eine Moschee oder in ein Gewerkschaftshaus.

Standard: Google Street View fotografiert nicht erst seit gestern. Warum kommt Deutschland jetzt erst drauf, dass es Regelungen braucht?

Schaar: Die Frage ist berechtigt, aber müßig. Die Politik reagiert meist erst auf ein Problem, wenn es diskutiert wird. (Birgit Baumann, DER STANDARD/Printausgabe, 18.9.2010)

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