Es finden gerade Nahost-Verhandlungen statt - aber die EU ist nicht dabei, wenn es um Weltpolitik geht. In China wird regelmäßig jeder einzelne EU-Staat vorstellig - ökonomische Einzelinteressen haben Vorrang vor einer stringenten europäischen Chinapolitik, in deren Rahmen die Einhaltung der Menschenrechte mit mehr Gewicht eingefordert werden könnte.

Die EU spielt auf der Weltbühne keine Rolle. Es war bezeichnend, dass sich am Donnerstag beim EU-Gipfel die Mitgliedsstaaten vor allem über ein internes Problem - den Umgang mit Roma - stritten, obwohl es eigentlich um die Positionierung Europas in der Welt gehen sollte. Dabei war die Schlusserklärung schon vorbereitet: Die EU wolle ein "ein effektiver globaler Akteur" sein, heißt es darin.

Das wird auf absehbare Zeit ein frommer Wunsch bleiben. In den Mitgliedsstaaten sind Staats- und Regierungschefs an der Macht, die abgewählt sind wie in den Niederlanden und dem derzeitigen EU-Vorsitzland Belgien, das durch die lang andauernden Koalitionsverhandlungen gelähmt ist. Auch der durch Massenproteste und die Bettencourt-Spendenaffäre geschwächte französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat bei seinem Vorgehen gegen Roma die Innenpolitik und seine Umfragewerte im Blick. Der gerade gewählte britische Premier David Cameron ist damit beschäftigt, sich einzuarbeiten und einen harten Sparkurs auf der Insel durchzupeitschen. Die schwarz-gelbe Regierung in Deutschland hat fast ein Jahr nach Amtsantritt noch immer nicht Tritt gefasst.

Vielen der derzeit amtierenden Politiker fehlt das Format, in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu treten: Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle agiert nach fast einem Jahr im Amt noch immer so, wie wenn er weiter mit dem Guidomobil durch die Lande kurven würde statt auf außenpolitisch oft heiklem Terrain unterwegs zu sein. Von einer Außenpolitik mit Substanz, wie sie sein Parteifreund Hans-Dietrich Genscher vertreten hat, ist Westerwelle meilenweit entfernt.

Bei der Bestellung von Catherine Ashton hat die deutsche Kanzlerin Merkel die Hoffnung geäußert, "Persönlichkeiten können in ihr Amt hineinwachsen". Bisher hat Ashton die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt, Europa auf der Weltbühne Gewicht zu verleihen. Sie agiert wie die frühere EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, die es meisterhaft beherrscht hat, in möglichst vielen Sprachen möglichst wenig zu sagen. Denn die Mitgliedsstaaten wollen weiterhin ihre eigene Außenpolitik betreiben, die oft wirtschaftlichen Interessen untergeordnet wird.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat in seiner ersten Rede zur Lage der Union nichts Substanzielles gesagt und nichts dazu beigetragen, sein farbloses Image zu korrigieren. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat noch keine Spuren hinterlassen.

Dass das Klein-Klein der österreichischen Innenpolitik auf europäischer Ebene kein energisches Auftreten ermöglicht, erklärt sich von selbst. Einigkeit herrscht dagegen, wenn es gegen Brüssel geht. Die Spannungen zwischen den EU-Staaten werden bei den bevorstehenden Verhandlungen über die Finanzplanung bis 2020 noch zunehmen. Solange der Kleingeist regiert und die Innenpolitik dominiert, bleibt ein starkes Europa auf der Weltbühne eine Vision.  (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 17.9.2010)