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Hamburg - Der Treffer war tödlich - so steht es in den Lehrbüchern: Vor 65 Millionen Jahren soll der Einschlag eines Kleinplaneten drei Viertel der Tiere und Pflanzen, darunter die Dinos, ausgerottet haben. Doch nun haben Wissenschafter Hinweise gefunden, wonach der Meteoriteneinschlag nicht im Zusammenhang mit dem Massensterben steht.

Tatort war Mexiko, genauer: die Halbinsel Yukatan. 1990 fiel Forschern auf Satellitenbildern ein großer Kreisbogen auf, der je zur Hälfte auf der Halbinsel und im Golf von Mexiko liegt. Messungen der Erdschwerkraft ließen in jenem Kreis auf einen Krater schließen. Forscher nannten ihn nach einer benachbarten Maya-Siedlung "Chicxulub".

Analysen der Ablagerungen ergaben, dass der Krater bei einem Meteoriteneinschlag entstanden war. Man fand Quarzkristalle mit mehrfach verschobenen Kristallgittern, in denen sich Lamellen aus Glas eingelagert hatten. Diese "geschockten Quarze" - unter hohem Druck schockartig aufgeschmolzen und schnell wieder erstarrt - können nur bei einem Meteoriteneinschlag entstehen. Daneben fanden Forscher 65 Millionen Jahre alte Ablagerungen - ein Einschlag in der Übergangszeit zwischen Kreide und Tertiär, die ein bekanntes Massensterben markiert. Erklärung: Der Einschlag eines riesigen Meteoriten habe weltweit zu katastrophal verschlechterten Lebensbedingungen geführt.

Beleg seien hohe Konzentrationen des seltenen Elements Iridium, das in irdischen Gesteinen kaum vorkommt, für Meteoriten aber typisch ist und das in Ablagerungen genau an der Zeitengrenze gefunden wurde: die Schmauchspur des Meteoriten.

Bei der Entdeckung des Chicxulub-Kraters akzeptierten die meisten Forscher die Theorie vom "Tod aus dem All". Vermessungen ließen auf einen Kraterdurchmesser von etwa 180 Kilometern schließen. Daraus ergibt sich, dass der Meteorit etwa zehn Kilometer Durchmesser gehabt haben musste - groß genug für eine weltweite Katastrophe.

Doch die neuen Untersuchungen von Thierry Adatte von der Uni Neuchâtel und Wolfgang Stinnesbeck von der Uni Karlsruhe zeigen, dass der Krater viel kleiner ist. Entsprechend weniger massig war der Meteorit. "Der Einschlag hat weltweit wahrscheinlich keine sehr großen Konsequenzen gehabt", erklärt Stinnesbeck.

Wie die Forscher darauf kommen? Bohrungen hätten mehrere Hundert Meter dicke, chaotisch geschichtete Ablagerungen zutage fördern müssen, die durch den Einschlag durcheinander geworfen wurden. Doch diese Gesteinstrümmer sind lediglich hundert Meter stark: Der Kraterdurchmesser sei nicht 180, sondern nur 100 Kilometer - entsprechend kleiner müssen Meteorit und Katastrophenpotenzial gewesen sein. Auch schlug der Meteorit wohl "zu früh" ein, um den Exitus erklären zu können. Laut Gesteinsanalysen ist Chicxulub gut 300.000 Jahre älter als bisher vermutet, könne also mit dem Massensterben an der Zeitengrenze nichts zu tun haben.

Vermutlich habe nicht ein einzelner, sondern ein Schauer von Meteoriten die Lebensbedingungen auf der Erde zum Ende der Kreidezeit dauerhaft verschlechtert, vermutet Stinnesbeck. Einen Meteoriten, der vielen Lebewesen den Todesstoß versetzte, könnte es dennoch gegeben haben. Eine Iridium-Schicht liegt genau an der Grenze zwischen Kreidezeit und Tertiär. Der dazu "passende" Meteorit sei wahrscheinlich in Europa niedergegangenen, denn hier sei die Iridium-Schicht am dicksten. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 4. 2003)