Wien/Krakau - Nach dem Umkehrschluss zur Regel "Verpatzte Generalprobe, gelungene Premiere" wäre dies kein gutes Omen. In einer Probeabstimmung in der oberschlesischen Kleinstadt Prudnik votierten am Sonntag 81 Prozent für den EU-Beitritt Polens.

Für das echte Referendum am 8. Juni würde derzeit kaum ein Meinungsforscher im Land auf eine Ja-Mehrheit wetten. Die EU-Befürworter fürchten, dass die schlechte gesellschaftliche Stimmung, die durch die Dauerkrise der Linksregierung unter Premier Leszek Miller noch verstärkt wird, auf die Volksabstimmung durchschlägt.

Eine gewisse Ratlosigkeit zeigte sich auch während eines Symposiums zur EU-Erweiterung, das vor wenigen Tagen in Krakau vom dortigen österreichischen Generalkonsulat gemeinsam mit der Jagiellonen-Universität und dem österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut (OSI) veranstaltet wurde. Teresa Sasinska-Klas vom Institut für Journalismus und Gesellschaftliche Kommunikation der Jagiellonen-Universität (IDKiS) hält zwar eine negative Überraschung beim Referendum für ziemlich unwahrscheinlich, "außer die ganze Gesellschaft wird verrückt". Zugleich verweist sie aber auf die negative Tendenz der vergangenen Monate: Danach ist die Zahl der EU-Befürworter in den Umfragen von Jänner bis April dieses Jahres von 63 auf 56 Prozent gesunken.

Rund ein Drittel jener, die noch schwanken, ob sie überhaupt am Referendum teilnehmen sollen, sind im Prinzip für die EU. Damit werde deutlich, dass diese Gruppe von der offiziellen Kampagne für den Beitritt nicht erreicht worden sei, meint Sasinska-Klas. Dass die Regierung mehr Propaganda betreibe, statt wirkliche Information zu liefern, war gängige Einschätzung der polnischen Teilnehmer des Symposiums.

Die Fernsehspots der Kampagne wirkten "wie hinter Glas" und erreichten die Bürger nicht wirklich, meinte Lucyna Slupek vom IDKiS. Wenn etwa davon die Rede sei, dass man als EU-Bürger ein Haus in Toledo kaufen könne, verstärke das nur die Entfremdung. Die Beitrittsgegner hätten es dann umso leichter, die EU als "Löwe, Hai oder Rottweiler" darzustellen.

Sasinska-Klas bringt den wachsenden gesellschaftlichen Widerstand gegen die EU, der sich etwa seit März 1997 artikuliert, mit der generellen psychischen Verfassung der Polen in Verbindung. Gemäß den regelmäßigen Untersuchungen seit der Wende 1987 sei der Pessimismus derzeit mit 62 Prozent um zehn Prozentpunkte stärker als in der letzten Phase des Kommunismus. Jeder Zweite bekunde Unsicherheit und Zukunftsangst, nur jeder Zehnte gebe sich hoffnungsvoll: "Diese Gesellschaft ist apathisch und lächelt nicht."

Von der gegenwärtigen Regierung erwarten die Polen nicht mehr viel. Nach einer neuen Umfrage unterstützen nur noch zehn Prozent die Arbeit des Kabinetts Miller. Daran dürfte auch die jüngste Aussage des Premiers zur Korruptionsaffäre um das neue Mediengesetz wenig ändern. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellte sich Miller am Wochenende als Opfer der "Affäre Rywingate" dar.

Der prominente Filmproduzent Lew Rywin soll dem Chefredakteur der Zeitung Gazeta Wyborcza, Adam Michnik, nach dessen Angaben vorgeschlagen haben, sich für ein Mediengesetz im Sinne der Expansionspläne des Zeitungsverlags (Kauf eines nationalen TV-Senders) zu verwenden, falls dieser der Regierungspartei SLD 17,5 Millionen Dollar (16,05 Mio. Euro) zahle. Miller hat sich von Rywin kategorisch distanziert. Die Ansicht von (laut Umfragen) 70 Prozent der Polen, dass das gesamte politische System korrupt sei, bleibt davon offensichtlich unberührt. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.4.2003)