Vier Männer suchen mehr Gemeinsamkeit - doch Kritiker sprechen nur vom "Gipfel der Spalter". Am heutigen Dienstag wird sich herausstellen, ob das Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs von Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg die europäische Einigung bei der Verteidigungspolitik voranbringt oder ob es sie verzögert. Am wahrscheinlichsten ist ein drittes Szenario: Nur wenig ändert sich.

Ein entscheidender neuer Impuls für die EU-Verteidigungsunion ist von der Viererrunde nicht zu erwarten. Zum einen fehlt es den teilnehmenden Staaten am nötigen Militärpotenzial, um einer Initiative Stoßkraft zu verleihen. Luxemburg und Belgien sind militärische Zwerge, Deutschland ist mitten im Umbau seiner Streitkräfte und nicht in der Lage, Geld in diese zu investieren. Frankreich allein kann das, trotz Atomstreitmacht und Aufrüstungsplänen, nicht ausgleichen. Wenn sich die vier auf eine gemeinsame Beschaffung von Rüstungsgütern einigen, dürfte Euphorie höchstens bei den Finanzministern aufkommen.

Zum anderen sind - wie das Beispiel Rüstungsgüter zeigt - die Ideen der Viererbande entweder wenig spektakulär oder nicht einmal neu. Sie fügen sich vielmehr nahtlos ein in einen Prozess, der schon 1998 begann, als sich Briten und Franzosen in Saint-Malo gemeinsam entschlossen, den dürren Vertragsbuchstaben über die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik Leben einzuhauchen.

Große Pläne wie eine gegenseitige militärische Beistandspflicht innerhalb der EU formulierten Deutschland und Frankreich für den EU-Reformkonvent bereits im vergangenen November. Selbst Österreich versprach im letzten Regierungsprogramm der Koalitionspartner eine "aktive Mitwirkung und Mitarbeit" hieran. Folgerichtig steht seit vergangenem Donnerstag im aktuellen EU-Verfassungs^entwurf des Konventspräsidiums schon alles Mögliche über Beistand und verstärkte verteidigungspolitische Zusammenarbeit - also Koalitionen der Willigen - in der Europäischen Union.

Viel Schaden für die Union wird, andererseits, die Viererbande mit ihrem Treffen allerdings auch nicht anrichten. Dadurch, dass der Irakkrieg vorüber ist, stehen einander in der EU die Fraktionen der US- Freunde und US-Kritiker nicht mehr so unversöhnlich gegenüber wie noch vor wenigen Wochen. Auch wenn Washington düstere Krisenszenarien als Folge des Minigipfels an die Wand malt: Die Spannung ist draußen.

Gerade Deutschland sehnt sich wieder nach gedeihlichen transatlantischen Beziehungen und wird das größte Reizthema - die Gründung eines militärischen EU-Hauptquartiers in Konkurrenz zur Nato- Kommandozentrale "Shape" - vom Tisch wischen. Und auch Frankreich sucht derzeit im Verhältnis zu Washington ebenfalls das Schlimmste zu verhindern.

Es wird sich also im Endeffekt durch den Vierergipfel in der europäischen Verteidigungspolitik zunächst nichts ändern: Sein Schlusspapier wird den EU-Partner zur Ansicht vorgelegt und dann im Konvent eingebracht werden, nur um zu bekräftigen, was dort ohnehin schon fast jeder eingesehen hat.

Die Chance des Treffens könnte darin liegen, dass es der Debatte über eine EU-Verteidigungsunion öffentlich einen neuen Anstoß gibt. Die kontroversen Umstände seines Zustandekommens haben alle auf den Plan gerufen: Antiamerikaner wie Transatlantiker, EU-Integrationisten wie EU-Weichmacher.

Nach dem Vierergipfel wird es schwerer sein, nicht Stellung zu beziehen. Dies gilt auch und gerade für die österreichische Bundesregierung, die sich im EU-Reformkonvent gerne hinter dem Delegierten Hannes Farnleitner und dem Hinweis versteckt, dieser handle vollkommen unabhängig von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Die Frage, wer an einer engen EU-Verteidigungsunion teilnehmen will, liegt ab Dienstag offen auf dem Tisch. Fest steht nur: Ohne die Briten wäre sie wie eine Währungsunion ohne die Deutschen.(DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2003)