Die Verbreitung der tödlichen Virus-Krankheit Sars beginnt sich in den am meisten betroffenen Ländern bereits negativ auf das Wirtschaftswachstum auszuwirken. In Kanada etwa dürfte sich die Konjunkturentwicklung nach Einschätzung von Ted Carmichael von der Investmentbank J.P. Morgan im zweiten Quartal um bis zu 1,5 Prozentpunkte auf rund ein Prozent verlangsamen.

In der Provinz Ontario, in der die Großstadt Toronto liegt, zählt man bis jetzt 15 Tote und 324 vermutete Sars- Kranke – das sind die höchsten Zahlen außerhalb Asiens. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät wegen Sars derzeit von Reisen nach Toronto ab. Auch Institutionen wie die US-Universität Harvard warnt auf ihrer Internetseite vor Reisen nach Toronto.

Tourismusindustrie schwer getroffen

Die Tourismus- und Kongressindustrie von Kanadas größter Stadt ist besonders stark betroffen. Ein Ärztekongress mit rund 10.000 Teilnehmern, der in Toronto hätte stattfinden und der Tourismusindustrie umgerechnet rund zwölf Mio. Euro bringen sollen, wurde bereits abgesagt. Ein Kongress von Immobilienfirmen mit 2000 erwarteten Teilnehmern wurde ebenfalls abgesagt.

Zwischen den Wolkenkratzern der Bay Street, der Ader von Kanadas Finanzzentrum, wo sich Banken und die Börse befinden, herrscht zwar ein Gedränge wie immer. Aber in den Firmenzentralen und Büros sieht man sich für den Ernstfall vor. Die große Versicherungsgesellschaft Sun Life Financial Services verbietet ihren Angestellten nicht nur Reisen nach Hongkong und China, sondern auch zwischen den Firmenbüros in Toronto und in den Vorstädten. Bei den Banken werden Geschäftsreisen durch Videokonferenzen ersetzt. Die meisten großen Finanzkonzerne haben Gruppen von Angestellten an isolierte Orte in Toronto gebracht, sodass der Börsen- und Geldhandel weitergehen kann, falls ein ganzer Bankenbereich von SARS heimgesucht würde.

Airlines in Turbulenzen

Bei der Scotia Bank müssen 60 Leute, die Aktien für Pensionsfonds und andere Institutionen handeln, ihre Unterlagen stets nach Hause mitnehmen, damit sie im Notfall auch von dort aus arbeiten könnten. Ein privater Busbetrieb in Toronto berichtete, er habe in zwei Wochen 300000 Dollar verloren.

SARS-Ängste von Reisenden sollen Air Canada, die nationale Fluggesellschaft, bislang 20 Millionen Dollar an verlorenen Einnahmen gekostet haben. Die kanadische Hotelkette Fairmont Hotels & Resorts Inc., zu der die berühmten Eisenbahn-Hotels wie das Royal York in Toronto gehören, muss wegen SARS Leute entlassen, weil viele amerikanische Touristen ausbleiben. Der Premierminister von Ontario, Ernie Eves, hat die kanadische Regierung in Ottawa um Hilfe gebeten, weil SARS die Wirtschaft "mehrere zehn Milliarden Dollar" kosten werde.

Dramatische Folgen Die wirtschaftlichen Folgen von Sars in China sind ebenfalls dramatisch. Ersten Expertenschätzungen zufolge wird China heuer ein bis zwei Prozentpunkte an Wirtschaftswachstum verlieren. Bisher rechnete man mit zehn Prozent Wachstum.

Auch die Fluglinien leiden unter dem Virus und handeln entsprechend. Die AUA etwa stellt ihre Flüge nach Peking vorübergehend bis Ende Juni ein. Als Begründung nennt die Fluggesellschaft "die rückläufige Nachfrage-Entwicklung". Zuletzt sei die Auslastung nach Peking unter 50 Prozent gesunken, sagte AUA-Sprecher Johannes Davoras am Montag der APA.

AUA streicht Verbindungen

China ist eines der Zentren der Lungenkrankheit. Die AUA fliegt seit dem Winterflugplan 2002/03 drei Mal wöchentlich in die chinesische Hauptstadt. Ab Juli 2003 soll diese Frequenz wieder aufgenommen werden. Die Entscheidung darüber soll in der ersten Junihälfte fallen.

Die AUA bedient keine weiteren Destinationen in den von Sars am stärksten betroffenen Ländern Südostasiens. Die Flüge nach Tokio, Osaka und Bangkok werden unverändert durchgeführt. Auch bei den Verbindungen nach Toronto und Montreal sei vorerst keine Änderung geplant, hieß es. Die Auslastung der Flüge nach Toronto liege derzeit bei 65 Prozent. (Bernadette Calonego aus Vancouver, DER STANDARD Print-Ausgabe, 29.4.2003)