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Die Angst vor Krankheiten nimmt die Betroffenen gefangen.

Mainz - Angst vor Krankheiten hat fast jeder hin und wieder, wie etwa beim Schweinegrippe-Hype des Vorjahres zu sehen war. Während diese Sorge bei den meisten nach bestimmter Zeit wieder verschwindet, bleibt sie bei rund einem Prozent der Bevölkerung ständige Begleiterin. Menschen mit ständiger Krankheitsangst - auch "Hypochonder" genannt - haben eine besondere Form der Wahrnehmung. Ohne es zu wollen, durchsuchen sie ihre Umgebung stets nach potenziell bedrohlichen Reizen und wenden sich diesen dann ausführlich zu. Zu diesem Schluss kommen Psychologen der Universität Mainz in einer Studie, die demnächst publiziert wird. "Themen wie Aids, Krebs, Alzheimer oder Tod nehmen diese Menschen weit stärker wahr als gesunde Menschen oder andere Patientengruppen", berichtet Studienleiter Michael Witthöft.

Gefangen in der Krankheitsangst

Ähnlich wie bei anderen Phobikern meiden Menschen mit Krankheitsangst Situationen, die sie mit ihrer Angst verbinden, wie etwa Friedhöfe, Krankenhäuser oder kranke Angehörige. Symptomatisch ist zudem das hohe Sicherheitsbedürfnis. "Hypochonder suchen stets nach Entlastung ihrer Sorgen, etwa indem sie sich übermäßig oft vom Arzt untersuchen lassen, damit dieser ihnen attestiert 'Du bist gesund' - oder sie suchen nach Fachliteratur. Diese Erleichterung dauert jedoch nur kurz, zudem werden sie zunehmend auf diese angewiesen", erklärt der Mainzer Forscher.

In einer Folgestudie untersuchen die Forscher, ob Körperwahrnehmung und Krankheitsangst zusammenhängen. "Sowohl eine stärkere als auch eine schwächere Wahrnehmung wäre bei den Betroffenen plausibel. Was auch immer zutrifft, es hätte Auswirkungen auf die Gegenmaßnahmen", betont Witthöft. Teilnehmer für die Studie werden derzeit noch gesucht.

Soziale Isolation

Die frei verfügbare Information im Internet hat ihren Teil zum Leiden beigetragen, berichtet Maria Gropalis, Psychotherapeutin und Leiterin des Behandlungsschwerpunktes Hypochondrie. "Viele googlen schon bei kleinen Symptomen wie etwa Kopfweh nach Erklärungen für das Leiden. Das beruhigt zwar oft auch, doch nehmen Menschen mit Krankheitsangst oft auch die unwahrscheinlichste Form wahr, etwa dass Kopfweh ein Zeichen für Gehirntumor sein könnte", so die Expertin.

Die Außenwelt kann das Leiden der Betroffenen oft schwer nachvollziehen. "Da die Angst in jeder Tagesphase anwesend ist und stresst, beeinträchtigt sie auch das Privat- und Berufsleben. Viele Betroffene lassen ihr Dauerthema in die Gespräche einfließen und stoßen dabei auf Bagatellisierung, Ablehnung und Unverständnis. Das führt oft in soziale Isolation", so Witthöft. Doch auch wenn Angehörige ständig beschwichtigen, sei dies ungünstig. "Damit verlieren Betroffene erst recht die Fähigkeit, mit der Angst fertig zu werden."

Training von Gegenstrategien

Den Betroffenen selbst raten die Experten, bestimmte Verhaltensaspekte zu kontrollieren zu versuchen. "Es ist zum Beispiel gut, wenn man dem Hausarzt über die Krankheitsangst informiert und bestimmte Zeitintervalle vereinbart. Ein Erscheinen etwa nur alle drei oder sechs Monate hilft dabei, Angst vom Arztbesuch zu entkoppeln", rät Gropalis. Auch was die Internetrecherche oder die Sensibilität für Körpersignale wie Hautflecken, Blutdruck oder Puls betrifft, kann man sich mit der Zeit Gegenstrategien antrainieren und den Stress somit deutlich verringern. Professionelle Hilfe bietet dabei die kognitive Verhaltenstherapie. (pte/red)