Otto Brusatti: Viele Vorschriften

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Anas Schakfeh: Nicht provozieren

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Thomas Schmidinger: Islam-Patchwork

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Alev Korun: Lächerliche Debatte

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Michael Bünker: Hilflosigkeit

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Warum die Minarettdebatte so hitzig verläuft und welche gravierenderen Probleme sie verdeckt, war Thema beim Montagsgespräch des DER STANDARD

Wien – So emotional das Thema Minarettbau in Österreich auch diskutiert wird: Manche lehnen den Bau der symbolträchtigen Türme hierzulande aus ganz profanen Gründen ab. Gerfried Sperl, Moderator des Standard-Montagsgesprächs, berichtete von zwei E-Mails, die ihn im Vorfeld der Diskussion zum Thema "Der Minarett-Konflikt" erreicht hatten. Deren Tenor: Man werde hierzulande ja schon ständig von Kirchenglocken gestört – da könne man nicht auch noch Minarette gebrauchen, von denen aus ein Muezzin die Umgebung beschalle.

Natürlich bräuchten die Muslime in Österreich keinen Muezzin, um zu wissen, wann Zeit für das Gebet sei, räumte Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ), ein. Dennoch hat er mit seiner Forderung nach einer Moschee inklusive Minarett in jeder Landeshauptstadt eine neuerliche Debatte über dieses Thema losgetreten – mitten in die Landtagswahlkämpfe in der Steiermark und in Wien, für die sich die FPÖ einmal mehr die Muslime als Feindbild erkor.

Gegen die Unsichtbarkeit

Beim Montagsgespräch verteidigte Schakfeh seine Forderung: "Wir wollen nicht provozieren, aber wir wollen sichtbar sein." Es gehe ihm auch nicht um Höhe oder Stil, aber zur Struktur einer Moschee gehöre ein Minarett nun einmal dazu. Außerdem erzeuge ein schönes Gotteshaus auch ein größeres Gefühl der Nähe zu Gott.

"Wie ein Kind, das sich die Augen zuhält und meint, was es nicht sieht, das ist auch nicht da" – so sieht der Bischof der evangelischen Kirche, Michael Bünker, die österreichische Diskussion über religiöse Symbole, bei der er außerdem eine gewisse "Hilflosigkeit" ortet: "Minderheiten werden nur zugelassen und toleriert, wenn sie unsichtbar bleiben."

Die Polarisierung, zu der die "lächerliche" Debatte führe, kritisierte Grünen-Nationalrätin Alev Korun. Weit wichtigere Diskussionen, etwa über soziale Fragen oder Bildung, würden dadurch nicht geführt. Außerdem werde in der öffentlichen Diskussion nicht sichtbar, wie viele unterschiedliche Lebensentwürfe es unter den etwa 500.000 Muslimen in Österreich gebe. Analog zu den vielen sogenannten Taufscheinkatholiken – also Katholiken, die mit Kirche und Glauben wenig bis nichts am Hut haben – gebe es auch viele "Taufscheinmuslime" , sagte Korun.

Patchwork-Religion

Politikwissenschafter Thomas Schmidinger nennt das "Patchwork-Glauben" . Die Wahrnehmung der Muslime als homogener Block verhindere Diskussionen über Inhalte und diene den Politikern zur Vereinfachung: Für die Rechten sei der Islam eine Gefahr, als Kontrast würden ihn Linke als "gut und lieb und nett" sehen. Dass Moscheen für Nichtmuslime sehr schwer und nur unter Einhaltung strenger Vorschriften zugänglich seien, wie Autor und Regisseur Otto Brusatti kritisierte, erklärte Schmidinger mit der "Nähe zu reaktionären ausländischen Regimen" vieler Moscheen. "Reaktionärer politischer Islam trifft auf österreichischen Alltagsrassismus, und da steigert man sich wechselseitig hinein."

Eine andere symbolträchtige Diskussion könne man flott beenden, sagte Schmidinger: Fast alle Frauen, die hierzulande Burka tragen, seien Touristinnen. "Wenn man die Tourismuswerbung in der Golfregion einstellt, wäre dieses Problem gelöst." (Andrea Heigl, DER STANDARD Printausgabe 15.9.2010)