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EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die für Grundrechte zuständig ist, zu den Abschiebungen der Roma:  "Diskriminierung nach Rassen hat keinen Platz in Europa. Das ist unakzeptabel, eine Verletzung unserer Werte."

Foto: APA/EPA/Hoslet

Seit elf Jahren gehört Viviane Reding der EU-Kommission an. Sie ist das erfahrenste Mitglied im Kabinett von Präsident José Manuel Barroso. Nicht zufällig wurde sie im Februar zur Vizepräsidentin aufgewertet.

Auf ihre Erfahrung spielte die für Justiz und Grundrechte zuständige Kommissarin aus dem kleinen Luxemburg an, als sie Dienstag in Brüssel ein "beschleunigtes Verfahren" und Klage wegen des doppelten Verstoßes gegen EU-Recht gegen Frankreich, das mächtige Gründungsland, ankündigte.

Gezielte Abschiebungen

Gegenstand: die massenhaften gezielten Abschiebungen von Roma durch die Regierung in Paris. Diese seien ein Verstoß gegen eine EU-Richtlinie, die Personenfreizügigkeit garantiere, und Verletzung von Verfahrensgarantien. Reding wählte bei ihrer Begründung zudem Worte, deren Härte gegenüber einem Mitgliedsland wohl beispiellos sind. Insbesondere im Kontext, weil sie es offenbar als erwiesen betrachtet, dass gegen die Roma nur vorgegangen wird, weil sie "einer bestimmten ethnischen Gruppe, einer Minderheit" angehören.

Sie sagte: "Es ist das kein kleines Vergehen. Nach elf Jahren in der Kommission gehe ich einen Schritt weiter. Es ist eine Schande, lassen Sie mich das klar sagen. Genug ist genug. Diskriminierung darf in Europa keinen Platz haben" , sei nicht vereinbar mit den Werten, nach denen die Union begründet wurde, sei "Verletzung der Charta der Grundrechte" .

Undenkbares Vorgehen

Dies sei "eine Situation, von der ich gedacht habe, dass Europa sie nicht mehr erlebt nach dem Zweiten Weltkrieg" , fuhr die Kommissarin fort. Das Verhalten Frankreichs sei zutiefst beunruhigend, ein Vertrauensbruch, und die EU-Kommission als Hüterin der Verträge könne ein solches Vorgehen nicht hinnehmen.

Diesen Ausführungen gab Reding zusätzliches Gewicht, als sie Punkt für Punkt darlegte, dass sie von Ministern der französischen Regierung getäuscht wurde.

Einwanderungsminister:  Keine gezielten Aktionen

Hintergrund: Ende August versicherte Einwanderungsminister Eric Besson bei einem Besuch in Brüssel, dass es "keine gezielten Aktionen" gegen Roma gebe. Vor zwei Tagen publizierten französische Medien nun eine Order des französischen Innenministeriums an alle Regionalpräfekten, dass "systematisch unzulässige Lager zerstört" werden sollten, "zuerst die der Roma" . Reding sagte, sie sei zutiefst schockiert, wenn Minister eines Mitgliedslandes ihr gegenüber Versicherungen abgäben und andere Mitglieder der Regierung in Paris das Gegenteil täten. Es werde nun nicht ausreichen, wenn Frankreich "nur die Worte ändert, nicht aber die Taten" . Innenminister Pierre Hortefeux hatte nach Bekanntwerden nun ein zweites Schreiben herausgegeben, in dem das Wort Roma nicht mehr vorkommt.

Während sich Frankreichs Außenministerium "erstaunt" zeigte über die EU-Kommission, freut sich der EU-Abgeordnete Hannes Swoboda (SP): Die Kommission sei "endlich aufgewacht" . Ernst Strasser (VP), dessen Fraktion vor einer Woche ein "Sarkozy-Bashing" im EU-Parlament noch ablehnte, sagte Reding "volle Unterstützung" zu. (Thomas Mayer aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2010)