Musikmensch mit Muse: Gustav Mahler (Johannes Silberschneider) und seine Alma (Barbara Romaner), ein ungleiches Paar.

Foto: Kinowelt

Wien - Ein Sofa ist so schnell nicht zu haben. Es ist ein früher komischer Moment in Mahler auf der Couch, als dem eingeschobenen Patienten in aller Hektik ein klappriges Notbett bereitet wird. Gustav Mahler ist im Sommer 1910 ins holländische Leyden gereist, um Sigmund Freud aufgrund seiner Eheprobleme zu konsultieren. Als der Seelendoktor dann vor ihm steht, den qualmenden Zigarrenstummel wie ein Zeichentrickheld im Mund, verlässt den Staatsoperndirektor der Mut - dass er dann doch bei ausgedehnten Spaziergängen ins Erzählen kommt, ist allein einer frechen Bemerkung Freuds zu verdanken.

Die Szene hat vielleicht tatsächlich so ähnlich stattgefunden, doch Percy Adlon und seinem Sohn Felix geht es in ihrem Film ohnehin nicht um historische Genauigkeit. Das Zusammentreffen der beiden prominenten Herren der Wiener Moderne ist vielmehr der Ausgangspunkt für eine spekulative, oft kolportagehafte Expedition in die kreative (Liebes-)Wahnwelt eines Künstlers, in der die konfliktgeladene Beziehung zur Szenemuse Alma Schindler, Mahlers späterer Frau, die zentrale Rolle spielt.

In Erinnerungsschüben, die naturgemäß an keiner zeitlichen Chronologie orientiert sein müssen, werden wir zum Zeugen, wie sich der rund zwanzig Jahre ältere Mann in die lebenshungrige Frau verliebt und sich dabei gegen zahlreiche Konkurrenten durchsetzt. Johannes Silberschneider und die Newcomerin Barbara Romaner spielen sie durchaus eindrucksvoll als Paar, das vor allen anderen Dingen der Kontrast verbindet: er der emsige, klammernde, immer etwas nervös wirkende Musikchef, sie sein sinnlich-körperlicher Widerpart, dazu angehalten, ihm ganz als Weib zu dienen.

Ordnung ins Chaos

Die Adlons betreiben keinen geringen Aufwand, um diese Gegensätze auch szenisch zu unterstreichen, doch sie schielen wie fixiert auf übersteuerte Klischees landläufiger Beziehungsmuster. Während sich Alma im Sanatorium mit ihrem Kurschatten Walter Gropius in allen möglichen Stellungen vergnügt oder ihren Musikunterricht unterm Klavier fortsetzt, wird Mahler regelmäßig als der von Eifersucht gepeinigte Künstler gezeigt, der seine Notenblätter wild im Zimmer verstreut. Karl Markovics' Freud kommt dann die Funktion zu, in diesem Gefühlstohuwabohu mit gezielten Fragen ein wenig Ordnung zu schaffen.

Die Erkenntnis der therapeutischen Sitzungen ist, dass Mahler seiner Alma die Flügel stutzt - schon dadurch, dass er ihr verbietet, sich weiter musikalisch zu betätigen. In egozentrischer Maßlosigkeit spricht er von einem gemeinsamen Projekt, das eigentlich nur das seine ist. Dieses geschlechterpolitische Missverhältnis führt der Film jedoch selbst zu wenig aus. Indem er Mahlers melodramatische Adagios bei jeder Gelegenheit als emotionalen Verstärker benutzt, reduziert auch er die Ehefrau zum passiven Objekt.

Zugutehalten kann man Mahler auf der Couch immerhin, dass er sich nicht mit einem gewöhnliches Bio-Pic begnügt, sondern eine theatrale, überspannte, manchmal auch lächerliche Adabei-Perspektive wählt, um sein Drama zu bewältigen. Am Ende sind Mahler und Freud Duzfreunde: der "Gustl" und der "Sigi". (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 15. September 2010)