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Das Wasser in Kopenhagen ist kalt, klar, aber voller Feuerquallen. So wird Sightseeing zum Abenteuer.

"Christiansborg Rundt": Schwimmwettbewerb im offenen Wasser, jedes Jahr Ende August. Streckenlänge zwei Kilometer. Schwimmstil freigestellt. Anmeldung unter www.openwater.dk (leider nur auf Dänisch). Anmeldegebühr ca. 50 Euro. Die Benutzung eines Neoprenanzugs wird empfohlen.

Anreise: zum Beispiel Flug Wien-Kopenhagen-Wien mit Air Berlin ab 150 Euro.

Foto: openwater.dk

Unterkunft: CPH Living. Schwimmendes Hotel in schickem, dänischem Design mit großen Fenstern zum Wasser und zur Schwimmstrecke "Christiansborg Rundt", ab 130 Euro pro Person.

Foto: CPH Living

Essen: Café & Restaurant Nytorv, ideal für klassisches Smørrebrød und Aquavit nach dem Schwimmen. Nur fünf Gehminuten vom Kanal entfernt.

Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke:
Christiansborg Slot: In diesem Schloss tagt das Parlament ("Folketing") und empfängt Königin Margarete Gäste. Führungen durch die königlichen Gemächer sind möglich. Empfehlenswert auch das angeschlossene Kutschen- und Theatermuseum. Dienstag bis Sonntag 10-16 Uhr, Eintritt ca. zehn Euro

Foto: Christiansborg Slot

J.T. Sergel: Achilles. C. 1775-76, Terracotta.

Thorvaldsen Museum: Di-So 10-17 Uhr, Eintritt ca. drei Euro.

Foto: Nationalmuseum, Stockholm

Die alte Börse: Das Gebäude kann nicht besichtigt werden. Möglich ist ein virtueller Rundgang auf www.borsbygningen.dk

Tøjhusmuseet: Das Waffenmuseum liegt direkt neben Christiansborg Slot und zeigt Exponate von 1400 bis heute. Di-So 12-16 Uhr, Eintritt vier Euro

Foto: borsbygningen.dk

Briefe aus Theresienstadt

Dansk Jødisk Museum: Das Museum liegt auf dem Gelände der königlichen Bibliothek, zeigt Gegenstände und Bilder des jüdischen Lebens in Dänemark. Sehenswert ist auch der avantgardistische Innenausbau des Architekten Daniel Libeskind. Di-Fr 13-16 Uhr, Sa und So 10-17 Uhr, Eintritt fünf Euro

Foto: Dansk Jødisk Museum

17 Grad kaltes Wasser ist schon eine kleine Überraschung, wenn man hineinspringt. Nur bedingt mildert ein Ganzkörperanzug aus Neopren diesen Temperaturschock. Aber viel Zeit, um darüber nachzudenken, bleibt nicht, denn beim Klang der Starthupe setzt sich der "Heat" in Bewegung. An die 80 Menschen kraulen im leicht salzigen Wasser der Kanäle Kopenhagens los. Schon zum fünften Mal findet der Schwimmwettbewerb "Christiansborg Rundt" für leidenschaftliche Amateure statt. Dabei schwimmen 1300 Sportlerinnen und Sportler zeitversetzt in 16 "Heats" mitten durch die dänische Hauptstadt. Die Streckenlänge von zwei Kilometern führt rund um die Insel, auf der das Parlament tagt.

Vor ein paar Minuten eröffnete die dänische Kronprinzessin Mary den Wettbewerb. Sie erhält aber nur bedingt Aufmerksamkeit, denn die meisten Schwimmer sind damit beschäftigt, sich Vaseline auf Hals und Gesicht zu schmieren. Beim Besichtigen der Strecke am Vortag sah das Wasser zwar erfreulich sauber aus, aber die Klarheit ließ auch die vielen Feuerquallen erkennen.

Schwimmer, die Fotos ihrer Verbrennungen von der letztjährigen "Christiansborg Rundt" zeigten, taten ein Übriges für leicht übernervöse Vorsichtsmaßnahmen - wie zum Beispiel dünne Handschuhe aus Latex, knapp vor dem Start gekauft.

Gleich nach dem Start direkt am Neubau der königlichen Bibliothek schlägt das dichte Gewusel der Schwimmer die Feuerquallen aber sicher in die Flucht. Die Schwimmer schenken sich auch untereinander nichts: Da treffen einen schon mal die Kraularme des Nebenschwimmers auf dem Rücken oder die Beinschläge eines Brustschwimmers am Ellbogen. Vermutlich sagen sich einige, die hier zum ersten Mal auf der Strecke sind, dass sie an so einem Wettbewerb nie wieder teilnehmen.

Erst als sich das Feld der Schwimmer auseinanderzieht, lässt sich bei einem Atemzug links die stark zum Wasser geneigte Fassade der Bibliothek sehen. Der polierte schwarze Granit reflektiert das gekräuselte Wasser und die Lichtreflexe der Sonne. Damit funkelt das Gebäude wie ein schwarzer Diamant. "Sorte Diamant", so nennen die Kopenhagener auch den Bau mit der feinen Caféterrasse zum Wasser hin.

Die erste Brücke ist die Knippelsbro, bekannt aus dem Film "Fräulein Smillas Gespür für Schnee". Sie ist hoch und stellt keine Herausforderung dar. Aber bald danach gilt es die Kurve nach links in den Børsgraven geschmeidig zu meistern. Hier ist es ratsam, vom Kraulen ins Brustschwimmen zu wechseln, um den niedrigen und schmalen Brückendurchlass nicht zu verpassen. Geschafft.

Anschließend taucht bei den Atemzügen links der signifikante Renaissance-turm der ehemaligen Börse auf. An ihm schlängeln sich drei ineinander verschlungene Drachenschwänze hoch, die die Kronen Dänemarks, Schwedens und Norwegens tragen. Beim Atemzug rechts erscheint das Gebäude der Nationalbank kurz im Gesichtsfeld. Ihre vom dänischen Star-Architekten Arne Jacobson entworfene Fassade mit grauen Marmorplatten ohne Schnörkel ist ein reizvoller Gegensatz zur gegenüberliegenden Börse.

Zwischendurch sehen die Schwimmer natürlich auf den Grund des Kanals - und erschrecken über die ersten Feuerquallen, die ih- re Schwimmbahn kreuzen. Hier versprechen sich manche zum zweiten Mal, dass dies ihr letzter Schwimmwettbewerb im offenen Wasser ist.

Während sich einige flach machen, um über die schönen, aber gefährlichen Nesselquallen hinwegzugleiten, versuchen andere, sie mit den Händen wegzuwischen - zum Glück in Handschuhen aus Latex.

An der nächsten Kurve gibt es etwas Besonderes auf dem Grund des Wassers zu sehen. Auf Höhe der Højbro, einer Brücke aus Marmor, strecken sieben steinerne Skulpturen in Menschengröße ihre Arme und Hände sehnsuchtsvoll zur Wasseroberfläche. Ein trauriger Wassermann wartet auf seine menschliche Ehefrau und seine sechs Söhne auf ihre Mutter. Das Mädchen Agnete verliebte sich nach einer dänischen Sage in den Wassermann, ging ins kalte Wasser und gründete mit ihm eine Familie. Als sie einmal Glocken läuten hörte, bekam sie Heimweh und besuchte einen Gottesdienst an Land, von dem sie nicht zurückkehrte. Ihre verlassene Familie wartet noch heute, und die dänische Künstlerin Suste Bonnén setzte ihnen ein ergreifendes Denkmal, dem man aber nur beim Schwimmen so nahe kommt.

Jetzt ist der Armschlag der Schwimmer im angenehmen Rhythmus, sie gleiten Richtung Gammel Strand, wo sich vis-à-vis das Museum für den Bildhauer Bertel Thorvaldsen befindet. Bei Atemzügen links erkennt man die bunten Fresken an der Fassade. Rechts aber schockt ein Banner an der Kaimauer. "1000 Meter". Was? Vom Gefühl hatten die Schwimmer schon mindestens zwei Drittel der Strecke geschafft. In diesem Motivationstief ist vielen zum dritten Mal klar: nie wieder Schwimmwettbewerb.

Einem ergeht es an dieser Stelle noch schlechter. Ihn erwischt ein Krampf im Fuß. Ein anderer Schwimmer hält den Verletzten über Wasser und wartet geduldig, bis das Schlauchboot der Rettungsschwimmer längsgegangen ist. Bevor er selbst weiterschwimmt, hilft er auch noch, den Mann ins Boot zu hieven. Bei der "Christiansborg Rundt" geht es nicht nur um Bestzeiten.

Es gilt also langsam und gleichmäßig weiterzuschwimmen. Nur noch drei Brücken. Rechts an den Rümpfen von Hausbooten vorbei, links an einer alten Brauerei. Die verwendete König Christian VI., um seine Soldaten wegen Trinkwasserknappheit täglich mit zehn Liter Bier zu versorgen. Dieser Gedanke lenkt vom Hafenwasser ab, das manchmal geschluckt wird. So etwas lässt sich bei diesem Wellengang nicht vermei-den. Knapp vor dem Ziel bemächtigt sich aber ein automatischer Endspurt der meisten Arme. Die Schwimmer schlagen mit dem Chip ums Handgelenk an der Zeitmessung an und klettern mit weichen Knien aus dem Wasser. Sofort umarmen sich am schwankenden Ziel-Ponton die Schwimmerfreunde und fragen: "Bist du nächstes Jahr wieder dabei?" Die meistgehörte Antwort: "Ja klar, denn es war großartig!" (Peter Fuchs/DER STANDARD/Printausgabe/11.09.2010)