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Weder Versuche mit Antibabypillen für Tauben noch der Einsatz von Falken konnten das Wachstum der Vögel in den Städten bisher eindämmen.

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Der Wiener Tierschutzombudsmann Hermann Gsandtner erklärt wie das Modell des "Augsburger Taubenschlags" funktioniert: In betreuten Taubenschlägen werden die Taubeneier gegen Plastik-Attrappen ausgetauscht.

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Home Sweet Home: 300 Tauben können in den Taubenschlag im Dachboden des Meidlinger Bezirksamts einziehen. Sie finden hier alles was sie brauchen: Nistmöglichkeiten, Futter und Wasser.

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Über den ausreichend vorhandenen Nistmöglichkeiten befinden sich auch Sitzstangen im Taubenschlag. Die gesamte Anlage soll einmal pro Woche grob und alle sechs Wochen gründlich gereinigt werden.

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Auch die Bezirksvorsteherin Ursula Votava freut sich über den Taubenschlag: "Hier sind einfach ideale Bedingungen".

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Aus der Sicht einer Taube: durch diese Öffnung kommen die Tiere in Zukunft in ihr neues Zuhause. Noch hat den Eingang kein Tier entdeckt - trotz intensiver Anlockungsmaßnahmen.

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Es riecht schon von weitem nach frischem Holz. Licht durchflutet das Dachgeschoss, es ist hell und sonnig. Manchmal muss man den Kopf einziehen, damit man sich nicht an den alten Dachträgern stößt. „Achtzig Prozent des Tages bleiben die Tauben hier drinnen, ist das nicht toll?", fragt die Bezirksvorsteherin des 12. Wiener Gemeindebezirks, Ursula Votava, um auch gleich selbst die Antwort zu geben: „Also bei uns brauchen sie sich nicht um ein Semmerl raufen."

Dass ausgerechnet Fürsorge und Versorgung die Taubenanzahl reduzieren soll, mag auf den ersten Blick ein wenig seltsam anmuten. Aber im neuen Taubenschlag, der sich im obersten Stock des Meidlinger Bezirksamt  versteckt, finden die Vögel sowohl Nistmöglichkeiten als auch Futter und Wasser. „Tauben sind ein Großstadtproblem", gibt Hermann Gsandtner, Ombudsmann des Wiener Tierschutzes, unumwunden zu und verweist auf die 130.000 Tauben, die in Wien leben. „Mit betreuten Taubenschlägen wollen wir die Population mittelfristig um zwanzig bis dreißig Prozent reduzieren."

Augsburger Taubenmodell statt Antibabypille

Alle bisherigen Versuche, die Taubenplage in den Griff zu bekommen, waren zum Scheitern verurteilt. Weder die Antipabypille für Tauben noch die natürliche Abwehr mithilfe von Falken haben etwas geholfen. Auch das Töten von Tauben hat kaum Auswirkungen, wie Gsandtner weiß: „Man muss die Quelle finden, sonst schafft man nur Platz für Nachrücker." Daher will man es nun mit einer tierschutzfreundlichen Methode versuchen, die auch die Verhaltensweisen der Tauben berücksichtigt.

Nach dem Vorbild des „Augsburger Taubenmodells" werden die Eier der Tiere - wenn sie den Taubenschlag angenommen haben und dort zu nisten beginnen - gegen Plastik-Attrappen ausgetauscht. Diese sehen wie Überraschungseier aus und sind mit Sand gefüllt.

„Normalerweise brütet eine Taube siebzehn Tage. Mit den Plastikeiern dauert es bis zu dreißig Tage, bis sie draufkommt dass da was faul ist", erklärt der Tierschutzombudsmann. Dann verlässt die Taube das Nest und setzt sich nicht mehr auf das Ei. Sobald das Ei kalt ist, wird es von den Helfern entfernt. 

Zwölf Mal zwei Eier pro Jahr

Da eine durchschnittliche Taube pro Jahr rund zwölf Gelege mit je bis zu zwei Eiern schafft, soll die Population mithilfe der Augsburger Methode erheblich eingedämmt werden. Ob das wirklich der Fall ist, wird nun im Meidlinger Bezirksamt getestet. Der Taubenschlag ist ein Pilotprojekt der Stadt Wien und hat 22.000 Euro gekostet. Stellt sich der gewünschte Erfolg ein, sollen weitere Standorte folgen. „Die Stadt war auf der Suche nach einem Platz", berichtet Bezirksvorsteherin Ursula Votava. "Und bei uns hier herrschen einfach ideale Bedingungen."

Wobei es alles andere als leicht ist, die passenden Räumlichkeiten für einen Taubenschlag zu finden. Zum einen ist die Höhe entscheidend - am besten eignen sich Dachböden oder andere Plätze, die sich mindestens auf dem Niveau eines vierten Stockwerks befinden. Zum anderen wünschen sich die Tierchen einen großen Einflugsbereich. „Tauben sind unglaublich neugierig, alles was eine große Öffnung hat und ins Dunkle führt wird angenommen", erklärt Ombudsmann Gsandtner.

Neben diesen Voraussetzungen gibt es noch ein weiteres wichtiges Kriterium, meint Bezirksfrontfrau Votava: „Es muss ein öffentliches Gebäude sein, mit der Möglichkeit eines öffentlichen Zugangs." Das sei vor allem für die Reinigung und Fütterung der Tiere relevant - beides wird in Zukunft je einmal pro Woche stattfinden. Eine gründliche Reinigung soll alle sechs Wochen durchgeführt werden.

Kebap als angepasste Alternative

Dass die Tauben, sobald sie es sich im Taubenschlag gemütlich gemacht haben, dort auch bleiben, liegt in ihrer Natur, bestägtigt Tierschutzexperte Gsandtner: „Tauben sind besonders standorttreu und bleiben immer im selben Nest. Wurden die Tauben erst einmal angelockt, bleiben sie auch da."

Womit genau jene Eigenschaft von Tauben angesprochen ist, die für viele Stadtbewohner ein großes Problem darstellt. Das gilt vor allem für Wohngegenden, wo die Tauben ausreichend Wasser- und Futterangebot vorfinden, etwa neben Flüssen, Parks oder Märkten. Als Beispiel dafür dient der Bereich zwischen Naschmarkt und Praterstern, wo eine besonders hohe Taubendichte herrscht. Dabei würden, laut Gsandtner, diese recht guten Lebensbedingungen für die Vögel gar nicht ihrem natürlichen Lebensraum entsprechen. „Tauben finden in der Großstadt kein Futter. Wenn sie auf einem Kebab herumpicken, dann tun sie das, weil sie sehr anpassungsfähig sind."

Platz für 300 Tauben

Im Dachboden des Meidlinger Bezirksamts sollen insgesamt dreihundert Tauben ein neues Zuhause finden, allerdings sind die Tiere noch in der Eingewöhnungsphase. Obwohl sie  mit ausgestreutem Futter im Einflugsbereich bereits angelockt werden, hat sich noch keine Taube vom definitven Einzug überzeugen lassen. Hermann Gsandtner stresst das nicht: „Das kann nicht mehr lange dauern und spätestens nach sechs weiteren Monaten kommt dann die erste Brut."

Eine Tonne Mais von einer alten Dame

Vielleicht bleiben die Tauben aber auch noch aus, weil sie ihre Mahlzeiten bei einer der unzähligen aktiven TaubenfüttererInnen von Wien einnehmen. „Das sind meistens ältere alleinstehende Damen, die sich denken, ‘Das ist ein liabes Viecherl, das wartet auf mich‘ ", klagt der Tierschutzombudsmann und erzählt von einer Frau im 21. Wiener Gemeindebezirk. „Sie lässt sich jedes Monat eine Tonne Mais und dreihundert Kilogramm Speck liefern und verfüttert das in ihrem Garten an die Tauben."

Diese Leute sollen in Zukunft mittels Stadtpsychologen in die Projekte eingebunden und überzeugt werden, die Vögel besser im Taubenschlag zu füttern. „Weil die machen uns schon zu schaffen", wie Gsandtner offen zugibt. (Nina Grünberger, derStandard.at, 13.09.2010)