Präsident Dmitri Medwedew hat den Demokratisierungsweg Russlands verteidigt. "Ich lehne es kategorisch ab, wenn behauptet wird, dass Russland keine Demokratie ist und autoritäre Tendenzen die Oberhand gewinnen", sagte Medwedew am Wochenende bei dem von ihm initiierten Globalen Politikforum. Russland sei definitiv eine Demokratie, wenn auch eine unreife, noch unerfahrene. Immerhin sei Russland tausend Jahre lang zuerst unter den Zaren und danach in der Sowjetunion autoritär regiert worden.

Bei dem heuer zum zweiten Mal stattfindenden Forum standen von Medwedew besetzte Themen im Vordergrund: Demokratie, Modernisierung und eine neue europäische Sicherheitsstruktur. Oppositionelle kritisieren, dass sich Medwedews Modernisierungsstrategie bisher nur als Lippenbekenntnis erwiesen hat.

Vor allem Vertreter der von Wladimir Putin geführten Regierung ließen in Jaroslawl durchblicken, dass sie unter Modernisierung lediglich eine Erneuerung der veralteten Technologie verstehen. Sergej Sobjanin, Vizepremier und Leiter des Regierungsapparates, erklärte, dass es nur zwei Wege gebe: die Ausnutzung der vorhandenen Ressourcen sowie die Produktion von Hightech-Produkten.

Russische Unternehmer äußerten jedoch Zweifel an diesem Kurs. Anatoli Tschubais, einer der Architekten der Privatisierungen der 1990er und nun Chef der Nanotechnologie-Holding Rosnano, forderte, der wirtschaftlichen Modernisierung müsse eine politische folgen. "Der Staat ist nicht Instrument, sondern Objekt der Modernisierung", stimmte der ehemalige Wirtschaftsminister und nunmehrige Sberbank-Chef German Gref zu.

Bei einem Treffen mit russischen und internationalen Politologen, das Beobachter als Antwort auf das zuvor stattfindende Treffen Putins mit dem Waldai-Diskussionskreis auffassten, sprach sich Medwedew jedoch gegen radikale Veränderungen aus. Das Tempo der Reformen müsse so gewählt werden, dass man nicht aus der Kurve fliege. So sei etwa die Stärkung des Parlaments wie in Kirgistan in Russland keine Option. "Für Russland und - wie ich fürchte - für Kirgistan ist die parlamentarische Demokratie eine Katastrophe", sagte Medwedew.

Obwohl beim diesjährigen Politikforum durchaus auch Oppositionelle zu Wort kamen, hat sich auch gezeigt, dass Demokratie in Russland oft dort aufhört, wo es um Meinungsvielfalt geht. Ein Interview mit einem Teilnehmer war von den Veranstaltern nicht veröffentlicht worden, weil es zu kritisch war.  (Verena Diethelm aus Jaroslaw, DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2010)