Wien - Die Leiche sieht nicht aus wie eine Leiche. Ihr rechtes Bein ist angewinkelt. Der Maler Adriaen Backer ließ den präparierten Toten wie einen Schlafenden aussehen - zum Ruhm der auftraggebenden Chirurgengilde. Denn Dr. Ruysch, einer aus der Gruppe der umstehenden Ärzte, war ein anerkannter Präparator.

Backers Anatomie des Dr. Frederik Ruysch ist eines von elf holländischen Gruppenporträts aus dem 17. Jahrhundert, die das Kunsthistorische Museum in der Ausstellung Goldenes Zeitalter zeigt. Die Bilder gehören der Stadt Amsterdam. Während das Historisch Museum dort renoviert wird, sind die Bilder erst in Wien, dann in der Münchner Pinakothek zu sehen.

Die Ausstellung ist auf den politischen Gehalt der Gebrauchskunst konzentriert. Ihr Titel bezieht sich auf eine Zeit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwungs in der holländischen Republik, die schon von Zeitgenossen als Goldenes Zeitalter bezeichnet wurde. Steil hierarchisch organisierte Monarchien standen damals der kooperativen, kalvinistisch geprägten Ordnung in Holland gegenüber. Das politische und kulturelle Umfeld ist den Gruppendarstellungen heute noch abzulesen.

Grundlegendes Wissen über dieses Genre kommt vom Wiener Kunsthistoriker Alois Riegl (1858-1905). Sein Buch Das holländische Gruppenporträt wurde inhaltlich und methodisch zum Standardwerk der "Wiener Schule der Kunstgeschichte".

Um der nationalistischen Vereinnahmung holländischer Maler entgegenzuwirken, hob Riegl den italienischen Einfluss hervor, der zu einem Wechsel in der Bildgestaltung führte. Statt nebeneinander aufgereiht ("äußere Einheit"), wurden die Auftraggeber in der Darstellung immer mehr einer Handlung unterworfen ("innere Einheit"). Georg Vasolds Katalogtext über Riegl ist spannend - die unterschiedlichen Darstellungsweisen werden auch durch die Gegenüberstellung der Bilder in der Hängung betont.

Unnötige Übersetzung

Irene Andessners Brücke zur Gegenwart hat die Ausstellung nicht nötig. Sie ließ zwei Gemälde des Haarlemer Meisters Jan de Bray unter anderem mit KHM- Direktorin Haag und Gemäldegaleriechef Schütz nachstellen und fotografierte die Szenen ab. Dass die Abzüge im Gang um die Gemäldegalerie so groß sind wie die Vorlagen, macht die Arbeit auch nicht spannender. (Georg Oberhumer, DER STANDARD/Printausgabe 11./12.9.2010)