Scharfe Töne gegen Zuwanderung und subtiles Anbiedern an die Serben auf einem Plakat: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trägt das blaue serbische Gebetsband, die sogenannte Brojanica.

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Wien - Endlich Freitagnacht. Die Mädchen tragen kurze Röcke, die Burschen teure Uhren. Gegen Mitternacht wird die Disco voller, der Alkoholpegel steigt, und die Band spielt die serbische Hitparade rauf und runter. Liebe, Alkohol, Geld - es geht immer um das Gleiche in den Liedern, die die jungen Serben begeistert mitsingen. Die Gäste, die Kellner, die Securities, sie teilen Sprache und Kultur. Serbische Lebensart, mitten in Wien.

Der Balkan scheint nicht weit, wenn man am Wochenende durch Ottakring oder Hernals tourt. In die Bar "Laby" verirren sich nur wenige Österreicher. In den 14 Jahren, in denen er das Lokal betreibe, habe er Deutsch fast verlernt, erzählt Besitzer Dule Stojanoviæ, ein bosnischer Serbe. In der Ottakringer Straße gibt es viele solcher Bars, auch einkaufen oder essen kann man türkisch, kroatisch, serbisch. Der Fußballklub "Roter Stern Belgrad" hat hier einen eigenen Fanshop.

Für FPÖ gibt es gute und böse Ausländer

Jeder zehnte Wiener hat serbische Wurzeln. Diese Gruppe ist in der Bundeshauptstadt nicht nur ein kultureller und sozialer Faktor, sondern auch ein politischer: 80.000 bis 100.000 Österreicher mit serbischem Background werden am 10. Oktober wahlberechtigt sein. Dass sie das auch zur politischen Zielgruppe macht, haben vor allem die Freiheitlichen längst erkannt.

Die Zeiten, in denen sich Heinz-Christian Straches politische Botschaften auf die simple Formel "Für Inländer - gegen Ausländer" reduzieren ließen, sind vorbei. Nun gibt es für die Blauen gute Ausländer und schlechte Ausländer, oder: Christen und Muslime. Im Nationalratswahlkampf 2008 trug Strache erstmals auf den Plakaten deutlich sichtbar das blaue serbische Gebetsband, die Brojanica. "Abendland in Christenhand" stand auf den Plakaten. Strache ließ sich mit hochrangigen Persönlichkeiten der serbisch-orthodoxen Kirche fotografieren und wünscht am 6. Jänner ein frohes Weihnachtsfest.

Besonders gepunktet hat die FPÖ aber mit ihrer Haltung zur Unabhängigkeit des Kosovo: Als einzige Partei sprach sie sich dagegen aus, während sich die SPÖ und der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer um eine rasche Anerkennung bemühten. Ein Akt von hoher Symbolkraft, den die Austro-Serben der SPÖ bis heute nicht verziehen haben.

Dabei sind es die Sozialdemokraten, mit denen die serbische Community traditionell verbunden ist. Als Mitte der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Gastarbeiter-Zuwanderung forciert wurde, hieß der Bundeskanzler Bruno Kreisky.

Wurzeln geschlagen

Zehntausende Jugoslawen kamen und schlossen sich in Vereinen zusammen, die den Gewerkschaften nahestanden. Die Arbeiter schlugen hier Wurzeln. Nach dem Zerfall Jugoslawiens konnten und wollten viele nicht zurück, sie hatten sich schließlich hier in Frauen verliebt, eine Existenz geschaffen, Kinder bekommen.

Um serbische Stadtpolitiker zu finden, muss man auch Jahrzehnte nach der großen Gastarbeiterwelle lange suchen. "Austro-Serben und Serben sind politisch vollkommen unterrepräsentiert", sagt Darko Miloradoviæ, Vorstandsmitglied des Dachverbands der serbischen Vereine in Wien. Er selbst kandidiert auf der Landesliste der SPÖ für die Gemeinderatswahlen, aus beruflichen Gründen an unwählbarer Stelle. Um die Zuwanderer vom Balkan zu gewinnen, müsse eine Partei Menschen aus der Community in die vorderen Reihen stellen.

Genau das tun nun die Freiheitlichen. Im Mai 2010 gründeten sie die "Christlich-freiheitliche Plattform für ein freies Europa souveräner Völker", deren Vorsitzender mit Konstantin Dobriloviæ ein Deutsch-Serbe ist. Die Haltung der FPÖ in der Kosovo-Frage hat auch ihn dazu motiviert, die Rechten zu unterstützen: "Strache war der einzige Politiker, er auf uns Serben zugegangen ist", sagt Dobriloviæ. Dass die Mehrheit der Serben die FPÖ wählen könnte, hält er durchaus für möglich.

Mehrheit wählt die SPÖ

Immerhin 27 Prozent der gebürtigen Serben, Bosnier und Kroaten würden laut einer Ifes-Studie den Freiheitlichen ihre Stimme geben, mit 56 Prozent ist die SPÖ in dieser Gruppe aber die mit Abstand stärkste Partei. Noch deutlicher wird das bei Wienern mit türkischen Wurzeln: Von ihnen wählen 78 Prozent die SPÖ und 17 Prozent die Grünen. Die FPÖ kommt laut Ifes nur auf ein Prozent.

Jedenfalls gebe es einen "enormen Auftrag für die Parteien, sich etwas zu überlegen", sagt Serben-Vertreter Miloradoviæ. Außerdem seien die Serben "eine einfach erreichbare Zielgruppe, weil sie nicht von ihrem Heimatland gesteuert werden" - im Gegensatz etwa zu den Türken, die sich in staatlich beeinflussten Kulturvereinen wie Atib zusammentun.

Im serbischen Nachtleben ist Politik kein Thema. Ein junger Mann fotografiert die Feiernden im "Laby" und verteilt seine Visitenkarte. Auf balkanstar.at, einer Art Facebook für Österreicher mit serbischen, kroatischen oder bosnischen Wurzeln, sind seine Fotos zu finden. Auf der Hinterseite der Visitenkarte inseriert die SPÖ "Freundschaft ist stärker als Feindschaft". Ein bisschen etwas, sagt Lokalbesitzer Stojanoviæ, könne er der Politik der FPÖ schon abgewinnen: "Ich kann nicht verstehen, warum man in Wien Minarette braucht." Mit dem roten Wien hat er bisher als Unternehmer gute Erfahrungen gemacht; und die Angst vor Veränderung ist am Ende doch stärker als die Abneigung gegen den Islam: "Ich befürchte, dass es für Migranten schlechter werden könnte, wenn Strache an die Macht kommt." (Andrea Heigl, DER STANDARD-Printausgabe, 11./12. 9. 2010)