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Dora Bakoyannis tritt für eine Politik neuen Stils in Griechenland ein. Die Griechen hätten genug von Populismus und Demagogie, sagt sie.

Foto: AP/Giannakouris

Ex-Außenministerin Dora Bakoyannis will in Griechenland eine neue Partei gründen, die den Wählern reinen Wein einschenkt und eine neue Kultur der Verantwortlichkeit lebt, sagte sie zu Markus Bernath in Athen.

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STANDARD: Wie geht es den Griechen knapp ein Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise?

Bakoyannis: Die Stimmung ist sehr schlecht. Die Griechen haben viel von ihrem Optimismus verloren, und in vielen Teilen der Gesellschaft gibt es Leute, die nun sehr große finanzielle Probleme haben. Die Reformen, an die ich glaube, sind leider nicht sehr schnell vorangegangen. Die Griechen kämpfen jetzt mit einer neuen, sehr schweren Wirklichkeit.

STANDARD: Ihre frühere Partei, die Nea Dimokratia, scheint diese Realität des Sparens und Kürzens nicht zu akzeptieren. Wir brauchen die EZB und den IWF nicht, sagt Parteichef Antonis Samaras, Griechenland kann auf seinen eigenen Beinen stehen.

Bakoyannis: Diese Nea Dimokratia hat sehr wenig mit mir zu tun. Es ist sehr schwer, ihre Position zu verstehen. Griechenland braucht die Hilfe der EU, der EZB und des Währungsfonds. Es ist ganz klar: Ohne dieses Geld können wir nicht weitermachen. Das will die Nea Dimokratia nicht einsehen. Natürlich hat die Regierung einen großen Fehler gemacht, sie hat nicht verstanden, dass wir ohne Wachstum und Einnahmen nicht einfach sparen können.

STANDARD: Was hätte die Regierung Papandreou besser machen müssen?

Bakoyannis: Zum Beispiel nicht die Unternehmenssteuer auf 40 Prozent hinaufsetzen. Griechenland ist ja nicht allein auf der Welt. Zu unseren Nachbarn gehören Bulgarien und Zypern, wo zehn Prozent Flat Tax gilt. Jetzt haben wir ein negatives Ergebnis: Wir nehmen keine Steuern ein, und die Wirtschaft kann nicht mehr atmen - überall schließen die kleinen Geschäfte. Auf der einen Seite haben wir nun eine Regierung, die versucht, dieses Sparprogramm umzusetzen, und auf der anderen Seite eine Opposition, die populistisch dagegenhält, ohne den Griechen eine andere Lösung anzubieten. Meine Ansicht ist: Wir brauchen viel mehr Konsens, wir müssen viel mutiger sein. Das alte politische Denken in Griechenland ist mit dieser Krise gestorben. Es war im Übrigen auch schuld daran, dass es mit uns so weit gekommen ist.

STANDARD: Sie selbst haben der Nea Dimokratia 25 Jahre angehört und waren Ministerin in der Vorgängerregierung. Fühlen Sie sich nicht mitverantwortlich für das, was geschehen ist?

Bakoyannis: Schauen Sie, mitverantwortlich fühlen wir uns alle, die lange in der Politik waren. Ich hatte nie ein Wirtschaftsressort geführt, ich war Außenministerin. Aber natürlich hat jeder von uns seinen Anteil. Persönlich fühle ich, dass wir aus dieser Krise lernen müssen. Nur leider tun die Parteien das nicht. Die Griechen haben genug vom Populismus und Demagogie, sie sind viel reifer, sie trauen den Politikern nicht mehr.

STANDARD: Jeder sagt, Frau Bakoyannis gründet eine Partei, aber diese Partei gibt es immer noch nicht. Was lässt Sie zögern?

Bakoyannis: Ich werde nicht lange zögern. Es gibt viele Menschen in Griechenland, die so denken wie ich. Wir brauchen mehr Solidarität, wir können in der Politik nicht ständig nur das Negative beim anderen sehen. Wir müssen anerkennen, dass bei bestimmten Themen Konsens möglich ist. Die Parteien sind zudem Führerparteien ohne sehr viel innere Demokratie. Unsere Partei wird nicht so sein. Wir suchen kreative Menschen.

STANDARD: Das neu gewählte slowakische Parlament hat es abgelehnt, sich an der finanziellen Hilfe für Griechenland zu beteiligen. Können Sie das verstehen?

Bakoyannis: Nein, und zwar aus zwei Gründen. Einmal mit Blick auf unsere bilateralen Beziehungen: Griechenland hat immer zur Slowakei gestanden, wir haben das Land unterstützt, als es in die Eurozone wollte. Zweitens, und wichtiger noch mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der EU: Wenn sich ein Land erlaubt, nach jeder Wahl die Meinung zu ändern, dann wird Europa blockiert. Das ist ein grundsätzliches Problem. Das muss man beim nächsten EU-Gipfel offen diskutieren. Kann sich Europa leisten, dass ein neu gewähltes Parlament die europäischen - nicht die innenpolitischen - Entscheidungen zurücknimmt? Wenn ein Gipfel einen Beschluss trifft, kann nicht die nächste Regierung kommen und sagen, dieser Beschluss gilt nicht für uns. Diese Logik der Nicht-Solidarität ist die größte Gefahr für Europa. Die Antwort auf die Krise ist mehr Europa, nicht weniger.

STANDARD: Glauben Sie, die Griechen schaffen es, die Rezession zu überwinden und den Milliarden-Kredit zurückzuzahlen?

Bakoyannis: Wir schaffen es. Ich weiß, ein Großteil der Analysten traut Griechenland nicht, aber das habe ich schon einmal erlebt, als ich Bürgermeisterin von Athen war während der Olympischen Spiele. Ich habe nicht einen Journalisten getroffen, der uns die Spiele zugetraut hätte. Sie saßen alle in meinem Büro, so wie Sie hier, und alle hatten ganz klare Ansichten: Die Griechen können nichts organisieren, Griechenland ist ein Land des Mittelmeers - wie sollen die das schaffen? Wir haben es geschafft. Und ich glaube, wir schaffen diese Krise auch. Es wird ein anderes Griechenland sein, das aus dieser Krise herauskommt, und - ich hoffe - ein Griechenland mit einem anderen Selbstbewusstsein. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.9.2010)