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Vielleicht ist das Klavierspiel der 15-jährigen Zhang Ruixue schon bald bei den Salzburger Festspielen zu hören?

Ein außergewöhnliches Gemeinschaftsprojekt Österreichischer und Chinesischer Musikhochschulen fand ihren Höhepunkt bei einem Klavierwettbewerb im Österreichischen Pavillon auf der EXPO 2010 in Shanghai.

Zur China-Premiere des so genannten "Pédale Harmonique", versammelten sich am letzten Augustwochenende im Österreich Pavillon die begabtesten Klavierstudenten Chinas zu einem innovativen Klavierwettbewerb.
Dort wurden bekannte Stücke von Chopin und anderen musikalischen Größen gespielt. Das Besondere bei diesem Wettbewerb aber waren Eigenkompositionen von Wiener, Salzburger und Grazer Musikstudenten, die in Shanghai von 18 Chinesischen Teilnehmern im Alter von 14 bis 18 Jahren vorgetragen wurden.

Neben dem Einüben neuer Kompositionen, stellte die Einstellung auf ein zusätzliches Pedal eine weitere Herausforderung für die jungen Chinesen dar. Das "Pédale Harmonique" ist ein viertes Pedal am Klavier, das für das Weiterschwingen der Obertöne sorgt und so "eine Klangfarbe erzeugt, die Bach, Mozart und Beethoven nur annähernd mittels kompliziertester Tastenkombinationen erreichen konnten", so der französische Erfinder des Pedals Denis de la Rochefordière, der ebenfalls in der Wettbewerbsjury saß.

Auch wenn das Pedal eine Erleichterung beim Erreichen neuer Klangwelten verspricht, verlangt die Umstellung von drei auf vier Pedale den Pianisten ein erweitertes Können ab. "Man muss die Gewohnheiten und die Fußpositionen völlig umstellen, wenn ein weiteres Pedal dazukommt", gibt Gerd Kühr, ebenfalls Jury-Mitglied, Komponist und Professor an der Grazer Musikuniversität, zu bedenken.

Und obwohl diese Umstellung "eine besondere Schwierigkeit" dargestellt hat, war er sehr angetan und positiv überrascht von dem "hohen Niveau" der jugendlichen Pianisten. Auch Jury-Vorstand Professor Gregor Widholm, Vizerektor für Internationale Beziehungen an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien lobte gleich alle Teilnehmer mit den Worten: "You lucky China!", und zeigte sich ebenso beeindruckt von den "hochbegabten und brillanten Pianisten".

Mutig befand Prof. Kühr, dass sich die Chinesischen Musik-Uni überhaupt auf dieses "Experiment" mit den Eigenkompositionen eingelassen hat.
"Man wusste nicht was kommt", zeigte er seine eigene, vorangegangene Unsicherheit und war daher umso mehr erstaunt über das Ergebnis.
Für bemerkenswert hielt er nicht nur die unterschiedlich gut gelungenen Interpretationen. Besonders erstaunt hat ihn, dass sehr viele Teilnehmer die Stücke trotz der kurzen Vorbereitungszeit auswendig vortrugen, was zusätzlich Kraft und Konzentration beansprucht.

"Ich finde es verblüffend, wie schnell sich die Teilnehmer auf Neues eingestellt haben. Ganz fantastisch!", kam er aus dem Schwärmen kaum heraus.
Vielmehr noch sieht er diese Vorführung als "besten Gegenbeweis", dass Neues doch gelernt werden kann. "Ich werde das alles zu Hause erzählen", fügt er hinzu.

Seit Mai konnten sich die Musikstudenten auf die neuen Stücke und das zusätzliche Pedal einstellen. Auf die Frage wie lange die spätere Gewinnerin Zhang Ruixue denn für den Wettbewerb geübt hatte, zuckte sie mit den Schultern, sagte „nicht lang" und musste sich lächelnd sowie leicht verlegen erst einmal an die Mutter wenden, um ihre genaue Übungszeit herauszufinden.
Gerade einmal drei Wochen hatte sie geübt, berichtete die Mutter.
Dass die Mutter besser über den Übungsplan Bescheid weiß als die Pianistin selbst, hängt oft mit dem Ehrgeiz der Chinesischen Eltern zusammen. Die Kinder werden in China sehr gefördert, aber auch stark gefordert.

Den ganzen Tag über mussten die 18 Teilnehmer ihr Können vor einer internationalen Jury, bestehend aus Österreichern, Chinesen und dem Französischen Erfinder des "Pédale Harmonique" beweisen. Das Ergebnis beeindruckte am Ende aber nicht nur die Jury Mitglieder.
Beim Abschlusskonzert der drei Besten war der große Stadtsaal im Pavillon andächtig ruhig, als die 15-jährige Zhang Ruixue im roten Seidenkleid noch einmal ihr Gewinner-Stück vortrug.

Neben dem eigenen "großartigen Gefühl" und dem Stolz der Mutter, nahm Zhang Ruixue an diesem Abend ein Preisgeld von 12.000 RMB (ca. 1250 EUR) und einen neuen Konzertflügel für ihre Musikhochschule mit zurück nach Peking. Da wird sich auch ihr Professor freuen und bestätigt fühlen, da er sie für den Wettbewerb ausgesucht hatte.

Bemerkenswert ist ein solcher Musikwettbewerb speziell in einem Land wie China, wo während der Kulturrevolution sämtliche Klavier-Konzerte verboten waren und es in einer Stadt wie Shanghai vor 31 Jahren nicht einmal einen einzigen geeigneten Konzertflügel gegeben hat.
Das musste der berühmte Violinist Isaac Stern feststellen, als er zu einer Musikreise im Jahr 1979 nach Shanghai kam. Bei dieser ersten Kollaboration westlicher und chinesischer Musik in China musste er beinahe - auf der Suche nach einem einigermaßen klangvollen Klavier - einen Flügel aus Peking einfliegen lassen, bevor man ein halbwegs brauchbares Piano in der örtlichen Shanghaier Radiostation fand.

Heute sieht die Situation vollkommen anders aus. In China wurden 2009 insgesamt 320.000 Klaviere produziert, allein in Shanghai wurden davon 15.000 Klaviere verkauft. Klavierspielen ist in der ost-chinesichen Metropole darüber hinaus so beliebt, dass allein in Shanghai 200.000 Kinder Klavierunterricht nehmen. Es wird sogar eine Zahl von bis zu einer Millionen Klavierspielern vermutet - ebenfalls nur in Shanghai.

Nicht nur deshalb betont Prof. Kühr noch einmal den Stellenwert, den die EXPO und solche Events in seinen Augen haben.
"Man registriert leider nicht, wie wichtig diese EXPO für dieses Land ist." Weiters sagt er, dass er kein Ökonom ist und somit mehr auf die kulturellen Events aufmerksam machen möchte: "Die EXPO bietet so viel mehr."

Und auch Österreichs Stv. Regierungskommissärin und Leiterin des Pavillons Birgit Murr geht es um genau solche chinesisch-österreichischen Beziehungen auf kultureller und akademischer Ebene: "Österreich ist in China als Land der Musik und Kultur bekannt - dieses Image möchten wir stärken und zugleich für intensive Kooperationen zwischen chinesischen und österreichischen Musikhochschulen nutzen."

Und wer weiß, wo diese Kooperation endet. Vielleicht bei den Salzburger Festspielen, wenn die Gewinnerin Zhang Ruixue dort bald als Nachfolgerin von Lang Lang auftritt.