Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das staatliche Glücksspielmonopol gekippt. Das Urteil sei bahnbrechend, meint Rechtsanwalt Johannes Öhlböck. Warum die Konzessionsvergabe an die Casinos Austria AG rechtswidrig ist, wie der "kleine Mann" von der Entscheidung in Brüssel profitiert und warum mit dem Urteil ein Stein losgetreten worden ist, erklärt er im Interview.

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derStandard.at: Der EuGH hat das Gesetz zum Glücksspielmonopol aus dem Jahr 1989 heute gekippt. Er begründet seinen Entscheid unter anderem mit dem Unionsrecht. Was versteht man darunter?

Johannes Öhlböck: Die beiden Grundfreiheiten, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, sind in der Union garantiert. Der EuGH sieht in seinem Urteil beide in Österreich verletzt - darüberhinaus auch das Transparenzgebot - eine Unparteilichkeit war nicht gewährleistet - und das Diskriminierungsverbot.

derStandard.at: Stichwort Niederlassungsfreiheit - bislang blieb das Recht zum Betrieb von Spielbanken Gesellschaften mit Sitz in Österreich vorbehalten. Wird Österreich nun von Glücksspielanbietern überrollt?

Öhlböck: Davon gehe ich nicht aus. Der EuGH erachtet eine Begrenzung der Anzahl der Konzessionen als grundsätzlich sinnvoll. Er sagt aber bislang nichts über die Höhe der Begrenzung. Ob das wie aktuell zwölf Konzessionen sind, 15, 17 oder nur elf, wird möglicherweise das Urteil zeigen, wenn es vorliegt.

derStandard.at: Kann man von einer Neuordnung des Glücksspielmarktes sprechen?

Öhlböck: Allerdings. Das Bahnbrechende an dem Urteil ist, dass der EuGH feststellt, dass die Konzessionsvergabe an die Casinos Austria nicht mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Einklang war. Es gab weder Ausschreibung noch Transparenz. Das Transparenzgebot verpflichtet die konzessionserteilende Stelle, einen gewissen Grad an Öffentlichkeit sicher zu stellen, damit neben Wettbewerb auch eine Nachprüfung möglich ist. Faktisch sagt der EuGH auch, dass es eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von Mitbewerbern gegeben hat - sie hatten keine reale Möglichkeit gehabt, ihr Interesse an den Konzessionen zu bekunden. Das ist eine Diskriminierung, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Ich freue mich, dass der EuGH hier Zähne zeigt. Er beweist den Bürgern damit, dass Brüsseler Institutionen keine  Tintenburgen sind, die irgendwelche Entscheidungen treffen, die niemand nachvollziehen kann.

derStandard.at: Was hat der "kleine Mann" vom heutigen EuGH-Urteil?

Öhlböck: Er wird Vorteile durch eben genannten Wettbewerb haben. Ein Unternehmen, das keinen Konkurrenten zu fürchten hat, verhält sich bei der Preisgestaltung auch dementsprechend. In Zukunft wird es Platz für Innovationen und Wettbewerb geben. Das hat bekanntermaßen noch nie geschadet.

derStandard.at: Welche Auswirkungen hat das Urteil auf den heimischen Glücksspielmarkt?

Öhlböck: Ich erwarte, dass die Konzessionen neu ausgeschrieben werden, wahrscheinlich wird das schon vorbereitet, nachdem das Urteil zu erwarten war. Ich rechne daher für die nächsten Monate mit einer Ausschreibung und mit Schadenersatzansprüchen, die möglicherweise geltend gemacht werden.

derStandard.at: In welcher Höhe würden sich diese bewegen?

Öhlböck: Orientiert man sich an den Gewinnen der Casinos Austria und errechnet daraus einen Durchschnittswert aller zwölf Betreiber, kommt man schon auf einen Millionenbetrag.

derStandard.at: Welche Konsequenzen gibt es, wenn in Österreich etwas praktiziert wird, was offenbar in so klarem Widerspruch zum Unionsrecht steht?

Öhlböck: Für eine fundierte Einschätzung ist es zwar noch zu früh, eines ist allerdings klar: Bei einem derart millionenschweren Wirtschaftszweig muss lückenlos aufgedeckt werden, wer davon profitiert und wer es möglicherweise zu Unrecht getan hat.

derStandard.at: Eine Bilanz - was hat das Glücksspiel-Monopol gebracht?

Öhlböck: Einzelne Personen, Personengruppen oder Gesellschaften hatten Vorteile - im Konkreten aktuelle oder historische Gesellschafter der Casinos Austrias AG. Hier wird noch zu prüfen sein, wer wie profitiert hat und ob oder wie das mit dem heutigen Urteil des EuGH vereinbar ist. Das letzte Wort ist sicherlich noch nicht gesprochen - ein Stein ist ins Rollen gebracht worden und der Weg ins Tal ist weit. (Sigrid Schamall)