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"Heute entscheiden sich manche Frauen bewusst für ein paar Jahre Familienarbeit", das ist der große Unterschied für die Bloggerin "Frau Stricktier". 

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"Der Konflikt. Die Frau und die Mutter", C.H. Beck Verlag, 222 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3406608018

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Die Tinte der deutschen Ausgabe von Elisabeth Badinters "Der Konflikt. Die Frau und die Mutter" ist kaum trocken, die Resonanz ist aber schon bemerkenswert. Obwohl viele die erst dieser Tage erschienene deutsche Ausgabe von "Le conflit. La femme et la mère" im Detail noch gar nicht gelesen haben können, wird der französischen Philosophin und Star-Feministin Badinter schon begeistert zugejubelt oder sie wird als kinderfeindliche, "gehäkelte" Feministin" kritisiert. Elisabeth Badinter stand auch schon in der 80ern mit ihrem Buch "Die Mutterliebe - Geschichte eines Gefühls" im Kreuzfeuer der Kritik, in dem sie eben diese als keine substantielle Eigenschaft von Müttern, sondern als historisch nachvollziehbare Konstruktion zu entmystifizieren suchte.

Den Berichten rund um das neue Buch von Badinter zufolge, nimmt sie dieses Mal vor allem einen Naturalismus in den Fokus, der junge Frauen auf neuartige Weise an Heim und Herd fesselt. Der Druck auf Mütter, alles richtig, biologisch und pädagogisch hochwertig zu machen steigt. Daher wären es nicht mehr Männer, die Frauen um ein autonomes Leben bringen, sondern die kleinen Racker selbst, was die Aufregung um Badinters Buch schon teilweise erklärt. Wer Babys als die "besten Verbündeten der männlichen Vorherrschaft" bezeichnet, wie Badinter in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung, macht sich nicht nur FreundInnen.

Glorifizierung der Arbeitswelt

So findet etwa Susanne Mayer in der Zeit: "Kinder kommen in diesem Buch nicht gut weg". Mayer liest in "Der Konflikt" ein Plädoyer für eine kinderlose Freiheit, denn „so eilt es sich leichtfüßig und ohne feuchte Flecken auf der Bluse zum Geldverdienen", natürlich auf Kosten der Kinder. Und alles nur, um einem Konsumdenken, den Gesetzen des Marktes und einer Glorifizierung der Arbeitswelt zu folgen.

Keine Forderungen nach Befreiung, sondern vielmehr Anpassung ortet auch die Bloggerin Antje Schrupp. Badinter würde Simone de Beauvoirs Ansatz einer existenzialistischen Selbstverwirklichung auf ein plumpes Karrieredenken runter brechen. "Frauen sollen nicht so viel Gedöns um das Kinderhaben machen, damit sie beim Karrieremachen nicht mehr als nötig ins Hintertreffen geraten. Mehr Angepasstheit geht kaum", so Schrupp in ihrem Blog. Einig ist sich Schrupp allerdings mit der dreifachen Mutter Badinter, dass "der Druck, eine gute Mutter zu sein, alles andere als hilfreich ist." Für Schrupp aber noch immer kein Grund, Autonomie an einen Verzicht auf "Familienphasen" zu knüpfen.

Alles Bio

Auch bei "Frau Stricktier" kommt "Der Konflikt" - obwohl ungelesen - nicht gut weg. Badinter würde als kollektive Feindin die Zurück-zur-Natur-Bewegung ins Feld führen. Konkret sind das laut Reaktionen auf Badinters Thesen Stillen bis ins hohe Alter (der Kinder), ausschließlich selbstgekochtes Biogemüse für die Kleinen oder natürliche Geburten ohne PDA.

"Mich bestürzt die Vehemenz (und auch die Kaltblütigkeit), mit der Frau Badinter einfordert, dass Mütter sich so bald als möglich vom Kind lösen: sie begründet es allen Ernstes damit, dass man im 18. Jahrhundert in Frankreich schon dazu übergegangen war, Kinder zu Ammen aufs Land zu verfrachten," so "Frau Stricktier", für die die "gehäkelte Feministin" vor allem einem Irrtum aufsitzt: "Die Frauen von heute unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von den Frauen ihrer Generation. Heute entscheiden sich manche Frauen bewusst für ein paar Jahre Familienarbeit." Außerdem würden viele Frauen von heute „über einen Haufen Bildung verfügen." Somit würde ihnen auch nichts verloren gehen, wenn sie ein paar Jahre bei ihren Kindern bleiben. "Herrjeh! Mir ist kein Gehirn aus der Brust getropft während ich gestillt und nebenher im Übrigen meine Aufträge erledigt habe."

"Exponierte Positionen"

Barbara Vinken, Professorin für Allgemeine und Französische Literaturwissenschaft, kennt das Buch und zeigt sich in der taz mit dem erwähnten Zeit-Artikel insofern einverstanden, dass Badinter ein Zukunftsszenario beschreibt, das in Deutschland längst vorherrscht. "Weil uns die gute Mutter zur zweiten Natur geworden ist, haben wir in Deutschland selbstverständlich wesentlich weniger Kinder als in Frankreich." Für die, die zu einer völligen Hingabe nicht bereit sind, ist die Kinderfrage damit erledigt. Vinken sieht die Schwierigkeiten weniger in essentialistischen Zuschreibungen an Frauen, wie es sie vielleicht noch vor einigen Jahren stärker gab, sondern in den zu hohen Ansprüchen von und an Mütter. "Schade, dass es Frauen so schwer gemacht wird, aufgrund des übermächtigen Mutterideals." Ein wichtiges Buch von einer "Figur aus der Großbourgeoisie", wie es sie in Deutschland nicht gibt und die mit "intellektueller Verve" exponierte Positionen vertritt.

Aber nicht nur Vinken gewinnt dem "Konflikt" viel ab. Auch die Emma spricht von einem klugen Buch über den vor "allem in Deutschland grassierenden Mütterwahn".

Ob "Polemik", wie der Text vielerorts bezeichnet wird, oder messerscharfe Analyse - eine neue rege Debatte über Feminismus und Mutterschaft kommt auf uns zu. Allerdings ist diese einmal mehr durch die Abwesenheit von Männern gekennzeichnet. So steht für Susanne Mayer auch schon der Gewinner der Debatte fest und sie zitiert dazu die Philosophin Badinter: Die Männer könnten sich freuen, denn "sie haben ihren heimlichen Kampf gewonnen, ohne zu den Waffen zu greifen oder auch nur ein Wort zu sagen." (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 8.9.2010)