Wien - Neue Vorwürfe gegen die Behörden im Mordfall Umar Israilov: Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz kritisiert Innen-, Justiz-, Außenministerium und die Bundesregierung scharf. Er spricht von einer "rechtswidrigen Verabredung der österreichischen Regierungsspitze". Die Absicht sei, so Pilz, den tschetschenischen Präsidenten Kadyrov vor strafbehördlicher Verfolgung zu schützen. Pilz ist überzeugt, dass Ramzam Kadyrov der Drahtzieher des Attentats ist. Das 27-jährige Mordopfer wollte ihn vor internationalen Gerichten der Folter anklagen.

Peter Pilz nannte Kadyrov "Kopf einer Mörderorganisation" und forderte Justizministerin Bandion-Ortner auf, eine Anklage gegen Kadyrov durch die Staatsanwaltschaft Wien zuzulassen. Der Grüne ist überzeugt, dass das bisher nicht zuletzt durch eine "verdeckte intensive Kollaboration zwischen dem Innenministerium und dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB" verhindert wurde.

Auch Putin involviert

In weiterer Folge solle dadurch auch der russische Ministerpräsident Wladimir Putin geschützt werden - Kadyrov gilt als sein Statthalter in Tschetschenien. Der Sicherheitssprecher fragt sich, "warum das Justizministerium die Anklage um jeden Preis gegen alle Fakten auf eine kleine Wiener Tätergruppe beschränken und Kadyrov schützen will?"

Polizei: Kosum J. kein V-Mann

Unterdessen hat Polizeisprecher Roman Hahslinger in einer Pressekonferenz am Dienstag darauf hingewiesen, dass Kosum J. kein Vertrauensmann (V-Mann) des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) war (DER STANDARD berichtete), räumt aber ein: „Er hat von sich aus mehrmals das Amt kontaktiert, aber seine Informationen waren immer allgemeiner Natur und er sei dafür nicht bezahlt worden." So habe er zum Beispiel über die muslimische Glaubensgemeinschaft in Österreich berichtet.

Im Oktober habe Kosum J. das LVT aber darüber informiert, dass zwei „hochrangige tschetschenische Vertreter" nach Österreich kommen würden. Laut Pilz habe er in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass "etwas geplant sei". "Natürlich wurden sofort Ermittlungen aufgenommen", sagt der Polizeisprecher dazu. Der Verdacht auf eine geplante strafbare Handlung habe jedoch nicht bestanden. Am 13. Jänner 2009 wurde Israilov dann in Wien-Floridsdorf auf offener Straße durch zwei Kugeln ermordet.

Die Staatsanwaltschaft hat im Mordfall Israilov Anklage gegen drei Männer erhoben: Einen angeblich engen Vertrauten Kadyrovs, den jüngeren Bruder von Kosum J. und einen dritten Tschetschenen. In der nicht rechtskräftigen Anklageschrift wird ihnen Beteiligung am Mord, Bildung einer kriminellen Organisation und versuchte Überstellung an eine ausländische Macht vorgeworfen, berichtet Pilz und kritisiert: "Auf diese Macht wird in der Anklage aber nicht eingegangen." Kosum J. habe die schiefgegangene Entführung mitgeplant. Bislang wurde keine Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Kosum J. erhoben, die Verdachtslage sei für die Anklagebehörde offensichtlich "zu dünn", sagte Hahslinger. Der 38-Jährige hält sich momentan in Wien auf.

Kein Polizeischutz trotz Warnungen

Pilz stellt zudem die Frage, warum Israilov trotz Ansuchen und Warnung von anderer Seite, zum Beispiel durch den russischen Geheimdienstmitarbeiter Artur K., nicht unter Polizeischutz gestellt wurde. „Israilov hat nicht mitgewirkt", lautet der knappe Kommentar des Polizei-Pressesprechers, der aber keine weiteren Informationen preisgeben wollte.

Innenministerin Maria Fekter hatte zuvor behauptet, dass Israilov den Schutz abgelehnt habe, diese Aussage aber kurz darauf widerrufen. Pilz klagt hingegen an, dass "der Verfassungsschutz, das Innenministerium und das Justizministerium nichts unternommen haben" und damit Israilov seinen Mördern ans Messer geliefert hätten.

Der russische Geheimdienstler Artur K. hatte Ende 2008 in der Bundespolizeidirektion Wien zu Protokoll gegeben, er arbeite für den tschetschenischen Präsidenten und habe den Auftrag erhalten, Israilov "verschwinden" zu lassen. Artur K. steht der österreichischen Justiz für die strafrechtliche Aufarbeitung der Causa Israilov übrigens nicht mehr zur Verfügung. "Er wurde nach Russland abgeschoben, wo sich mittlerweile seine Spur verloren hat", berichtet Pilz. (Julia Schilly, derStandard.at, 7. September 2010)