Tolpatsch vom Dienst: Alfi Seliger (Markus Hering) in "Das Leben ist zu lang".

Foto: Filmladen

Wien - Ein Nebbich ist ein armer Kerl - einer, dem nichts gelingen will, außer sein Elend ständig zu erweitern. Filmregisseur Alfi Seliger (Markus Hering), Hauptfigur aus Dani Levys Komödie Das Leben ist zu lang, entspricht diesem Typus nicht nur voll und ganz, er identifiziert sich sogar mit ihm. Sein letzter Erfolg liegt um die 15 Jahre zurück, Branchenkollegen erinnern sich nur vage daran, frei nach dem - etwas gönnerhaften - Motto: Da war doch dieser komische Film, von einem jüdischen Regisseur aus Deutschland, der endlich einmal mit Humor über seine Unzulänglichkeiten sprach!

Seitdem wird der arme Seliger von Misserfolgen verfolgt. Um seine Dauerkrise zu überwinden, wagt er sich nun an einen Stoff mit gewisser Sprengkraft: Er möchte einen Film über den Karikaturenstreit drehen, dessen Arbeitstitel "Mo-ha-ha-mmed" lautet. Der Kalauer ist einer der besten aus Dani Levys Film - denn würde er tatsächlich ernst genommen, ließe sich damit das bissige Porträt einer Branche zeichnen, die kontroversielle Themen mit guten Filmen verwechselt.

Bedauerlicherweise nimmt dieses Projekt jedoch keine konkreten Formen an. Stattdessen schwingt sich Das Leben ist zu lang zu einer oft übertrieben polternden Satire über das Startum, die Eitelkeiten und Selbstbezüglichkeiten der deutschen Filmbranche auf, in der ein Kauz wie Seliger immer den Kürzeren ziehen muss. Das größte Problem daran bleibt, dass Levy mit abgegriffenen Typen und einer recht albernen Situationskomik hantiert. Der Produzent, ein übermächtiger Patriarch (Hans Hollmann), der seine osteuropäische Frau (Veronika Ferres als Lustweib) in Filme hineinbugsieren will. Prominente Filmschaffende wie Michael "Bully" Herbig, Heino Ferch oder Udo Kier, die in Camoes oder Nebenrollen "Selbstironie" unter Beweis stellen.

Bei alldem bekommt man den Eindruck, dass es Levy weniger um eine raffinierte Film-im-Film-Spiegelung nach dem Muster von Robert Altmans The Player oder Woody Allens Stardust Memories geht, als um eine Art Selbstverortung im deutschen Kino. Levy betrachtet sich selbst als geduldeter Außenseiter, der sich ein bisschen mehr als die anderen herausnehmen darf. Irgendwann begehren aber die eigenen Figuren gegen ihn auf, weil sie sich in der von ihm ersonnenen Welt ungerecht behandelt fühlen.

Und das nun wieder kann man Alfi Seliger gut nachfühlen - er hat sich ganz zu Recht etwas mehr Biss erhofft. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 7. September 2010)