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Demonstranten am Samstag in Marseille. Auf dem Banner steht: "Bewegungsfreiheit" und "Recht auf Arbeit und Wohnraum für alle".

Foto: Reuters/Jean-Paul Pelissier

Paris - In Frankreich haben am Samstag Zehntausende Menschen gegen das Vorgehen der Regierung gegen Roma protestiert. Sie warfen Präsident Nicolas Sarkozy vor, aus politischem Kalkül Vorurteile gegen Minderheiten zu schüren. Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschaften und linke Parteien beteiligten sich an den Protestaktionen. Laut Polizei gingen allein in Paris 12.000 Menschen auf die Straße. Die Organisatoren sprachen von 50.000, landesweit beteiligten sich demnach schätzungsweise 100.000 Menschen.

In mindestens 135 Städten in Frankreich wurde demonstriert, auch in anderen europäischen Ländern waren Proteste vor den französischen Botschaften geplant. In Belgrad forderten Roma auf Transparenten ein Ende der Massenabschiebung aus Frankreich. In Rom forderte Roma-Führer Marcello Zuinisi, die Franzosen müssten sich wieder an ihr Motto "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" erinnern. "Wir wollen, dass diese Werte heute respektiert werden", sagte Zuinisi.

Reaktion auf Massenabschiebung von 1.000 Roma

Sarkozy hatte im Juli neue Maßnahmen in der Verbrechensbekämpfung angekündigt. Dazu gehört die Massenabschiebung von rund 1.000 Roma nach Osteuropa in den vergangenen Wochen. Ihre Lager würden "systematisch evakuiert", hatte Sarkozy angekündigt.

Der Staatschef solle die französische Verfassung repräsentieren, nicht "auf ihr herumtrampeln", sagte Jean-Paul Dubois von der französischen Menschenrechtsliga. "Wir betrachten diese Situation als extrem gefährlich." Der 24-jährige David Anghel aus Rumänien, der seit acht Jahren in Frankreich lebt, sagte, er habe inzwischen Angst. Seine Frau sei vor zehn Tagen aufgefordert worden, ein Roma-Lager südlich von Paris zu verlassen. Das Paar fürchte nun, dass es in den nächsten Tagen von der Polizei vertrieben werde.

Sarkozy verordnete den harten Kurs, nachdem Angehörige der ethnischen Minderheit Mitte Juli ein Polizeirevier im Loire-Tal verwüstet hatten. Zuvor war ein junger Roma nach einer Verkehrskontrolle von Polizisten auf der Flucht erschossen worden. Kritiker warfen Sarkozy damals vor, mit der Vermischung von Sicherheits- und Einwanderungspolitik von einer Steuer- und Parteispendenaffäre ablenken zu wollen, die die Öffentlichkeit wochenlang in Atem hielt.

Protest gegen Ausweisungen vor französischer Botschaft in Rom

Einige hundert Menschen haben am Samstag an einem Sit-In vor der französischen Botschaft in Rom teilgenommen, um gegen die Abschiebung von Roma-Familien aus Frankreich zu protestieren. "Gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung", war auf den Plakaten der Demonstranten zu lesen. "Schluss mit den neuen Formen der Abschleppung. Roma und Sinti werden zu politischen Zwecken als Sündenböcke missbraucht", erklärten die Demonstranten. Sie skandierten auch Slogans gegen den italienischen Innenminister Roberto Maroni, der vor zwei Jahren eine Zählung der in Italien lebenden Roma durchgeführt hatte.

Nach Angaben italienischer Medien sind mehrere aus Frankreich abgeschobene Roma-Gruppen in Rom eingetroffen. Mehrere Familien suchten Unterkunft in illegalen Behelfssiedlungen unweit der italienischen Hauptstadt. Mehrere voll beladene Autos mit französischer Nummer seien in den Behausungen bemerkt worden, meldeten italienische Medien.

Roms rechtsorientierter Bürgermeister Gianni Alemanno, der im vergangenen Februar die größten Roma-Siedlungen in Europa schleifen ließ, in der seit Jahrzehnten über 600 Menschen lebten, rief die EU auf, eine gesamteuropäische Strategie zur Behandlung der Roma-Frage zu ergreifen. Die EU müsse auf europäischer Basis überprüfen, wohin die aus Frankreich abgeschobene Roma strömen. Am Montag wird Alemanno in Paris den französischen Einwanderungsminister Eric Besson treffen, um mit ihm über die Roma-Frage zu diskutieren. Am Treffen beteiligt sich auch Italiens Innenminister Maroni. (APA/apn)