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Ein Blick wie David Bowie. Anatolische Van-Katzen haben oft unterschiedliche Augenfarben. So auch "Bascat", Maskottchen der Basketball-WM in der Türkei.

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Sie liegen auf ausgewählten Autodächern oder sitzen auf Fenstersimsen im Erdgeschoß und gähnen in offene Bürofenster. Supermarktkunden steigen am Ladenausgang vorsichtig über sie hinweg, Autofahrer halten an und fragen besorgt, ob sich der Vierbeiner auch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Istanbul ist eine Katzenstadt, zumindest gilt das für die alten und die wohlhabenderen Viertel.

Für ein paar Tage bekommt das Katzenvolk nun Konkurrenz vom Sport. "Bascat" heißt das Maskottchen der Basketball-WM, die bis 12. September in Istanbul und mehreren anderen türkischen Großstädten ausgetragen wird. "Bascat" ist eine etwas extravagante Katze vom Van-See in Ostanatolien mit zwei verschiedenen Augen - eines blau, das andere grün. Mitunter schwimmt sie auch gern.

Damit kann die gemeine Straßenkatze in der 13-Millionen-Stadt Istanbul nicht mithalten. Sie verlässt sich dafür auf die Zuneigung der Istanbuler. "Ohne Katzen - das wäre wie in einer Stadt ohne Bäume zu leben", sagt Melih Sezer, der alte Apotheker in der Moda Caddesi, der Hauptstraße des gleichnamigen Viertels im asiatischen Teil Istanbuls. Seine Katze heißt Emilia und pflegt auf einem Sessel vor dem Laden zu schlafen, ein schwarz-weißes Knäuel, groß wie ein Kopfkissen.

"Sie spazierte letztes Jahr hier herein, und dann ist sie einfach geblieben", sagt Sezer, der seine Apotheke seit 1967 führt. "Katzen machen die Menschen glücklich und geben Energie, Hunde dagegen nehmen Energie weg."

Um die Hunde kümmert sich die Stadtverwaltung in Istanbul. Auch sie laufen auf den Straßen frei herum, registriert und mit einem Clip im Ohr. Istanbuls Geschichte mit den Hunden ist allerdings problematischer. Dass 1910 ein Bürgermeister der Stadt in einem sanitären Gewaltakt mehrere tausend streunende Hunde auf die Prinzeninsel Sivriada im Marama-Meer abladen ließ, damit sie dort verhungerten, ist eine Geschichte, die man sich heute noch erzählt.

Weit verbreitet ist auch die Ansicht, es sei der Islam, der die Türken zu besonderer Rücksicht gegenüber den Katzen anhält. Dimitri Malahtari, Tierarzt in einer kleinen veterinärmedizinischen Klinik in Moda, sieht das abgeklärter. Wenn Leute wohlhabend sind, geben sie auch Geld für Tiere aus, sagt er. Moda ist zudem grün, es gibt viel Platz und einen Sinn für Verantwortung: "Die Leute bringen Straßenkatzen her und lassen sie impfen, damit sich keine Krankheiten verbreiten." Früher aber, bevor in Moda oder in den alten Vierteln von Sultanahmet und Galata überall kleine Wasserschüsseln und Teller mit Trockenfutter auftauchten, haben die Straßenkatzen wohl nur ihren Job erledigt: Mäuse und Ratten in der Großstadt vertilgen. (Markus Bernath, DER STANDARD, Printausgabe, 3.9.2010)