Brüssel - Die EU will sich mit neuen europäischen Behörden in der Finanzaufsicht gegen künftige Krisen wappnen. Die wichtigste Lehre aus der Krise: Eine solche soll es nie wieder geben. Deswegen erhält die EU nun mächtige Kontrolleure für Banken, Versicherer und Börsen. Im Falle einer Schieflage eines großen Instituts hat künftig Brüssel das Sagen.

Die Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedsstaaten einigten sich am Donnerstag nach langem Hin und Her auf die Reform der bisher zersplitterten Aufsicht. Diese soll künftig europäische Dimension haben, sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Das Plenum des Europäischen Parlaments soll am 21. September zustimmen. Auch die EU-Finanzminister müssen den Kompromiss noch einmal persönlich durchwinken. Beides gilt als Formsache.

Start 2011

Die neuen EU-Finanzaufsichtsbehörden können im Jänner kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen. Wenn ein grenzüberschreitend aktiver Finanzkonzern in Schieflage gerät, wird die EU-Aufsicht das letzte Wort über das Krisenmanagement haben. Das soll für alle Fälle gelten, in denen sich die nationalen Aufseher nicht einigen können. Gesteuert werden die EU-Aufsichtsbehörden von Vertretern der Mitgliedsländer. In Krisensituationen können diese Ämter selbst Aufsichtsentscheidungen über Finanzunternehmen treffen. Darüber hinaus wird bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt ein Risiko-Rat angesiedelt, der das gesamte europäische Finanzsystem unter Dauerbeobachtung stellen, bei Gefahr Alarm schlagen und den Aufsehern Empfehlungen geben soll.

Die europäischen Aufsichtsbehörden für Banken (EBA), Versicherungen (EIOPA) und Börsen (ESMA) gehen aus den schon bestehenden Koordinierungsausschüssen der EU-Staaten für die drei Sparten hervor. Das Europäische Parlament konnte nicht durchsetzen, dass die bisher in London, Frankfurt und Paris ansässigen Institutionen an einem Ort - und zwar in Frankfurt wegen der Nähe zur EZB - angesiedelt werden. In drei Jahren soll aber überprüft werden, ob die Aufteilung beibehalten werden soll.

Bisher war die Aufsicht Sache der Mitgliedsstaaten. Das erwies sich in der Finanzkrise bei der Rettung grenzüberschreitend arbeitender Banken auch als Hindernis. Die EU-Staaten hatten sich in den vor einem Jahr begonnen Verhandlungen über das Gesetzespaket lange gegen Einschränkungen der nationalen Rechte gesträubt. Neben Großbritannien hatte vor allem Deutschland Vorbehalte geltend gemacht.

Nationale Behörden

Der Großteil der täglichen Aufsichtsarbeit wird wie bisher bei den nationalen Behörden liegen. Die EU-Aufseher sollen in erster Linie über Standards für eine einheitliche Anwendung des europäischen Aufsichtsrechts sorgen. Die EU-Staaten können Entscheidungen der EU-Ämter kippen, wenn sich diese gravierend auf den Staatshaushalt auswirken würden. Auf Drängen des EU-Parlaments können die Behörden die EU-Kommission dazu veranlassen, ein gesetzliches Verbot hochriskanter Finanzaktivitäten vorzuschlagen.

Der bei der EZB angesiedelte Risiko-Rat soll in den ersten fünf Jahren seines Bestehens vom EZB-Präsidenten geleitet werden. In drei Jahren soll überprüft werden, ob auch Vertreter von Nicht-Euro-Staaten wie Großbritannien dieses Amt übernehmen können.  (Reuters/rb)