Licht aus für Wiens größte Videothek für fremdsprachige Filme: Alphaville sperrt zu.

Foto: Standard/Regine Hendrich

Andere kämpfen in Wien vergeblich gegen die Steuer aufs Vergnügen.

Wien – Er werde aus seiner Videothek erhobenen Hauptes gehen. Er sperre sie lieber jetzt nach seinen eigenen Regeln zu, als in zwei bis drei Jahren vom Markt in die Knie gezwungen zu werden, sagt Norman Shetler. Er sehe sich nicht als gescheitert, es sei ja auch über lange Zeit ein gutes Geschäft gewesen. Über kurz oder lang würde er aber damit straucheln, daran führe einfach kein Weg vorbei.

Shetler ist Chef des Wiener Gartenbaukinos und gründete mit Georg Schneider die größte Wiener Videothek für fremdsprachige Filme. Ihr Alphaville sammelte mehr als 13.000 Videos und rund 24.000 Kunden. Nach 13 Jahren lösen sie ihre Bestände auf: Anfang November schließt der Traditionsbetrieb. Wie viele andere Verleiher auch.

Die Welt habe sich eben wahnsinnig geändert, und keiner könne gegen die Zeichen der Zeit arbeiten, sinniert Shetler, und er empfinde dabei keine Verbitterung. Es gehe nicht darum, illegale Down-loads aus dem Internet zu verdammen. Videos seien auch legal permanent verfügbar, das ganze Kulturleben sei ein anderes. "Ich bin besonderen Filmen früher oft jahrelang hinterhergelaufen, heute habe ich sie innerhalb eines Tages im Postkastl. Die nachwachsende Generation braucht die Videothek ums Eck nicht mehr."

Für sie sei Shetlers und Schneiders Rückzug aus der Branche ein Schock. Denn wenn es wer schaffen hätte können, am Markt zu bestehen, dann die beiden, sagt Sylvia Leinwather. Sie führt in Wien-Döbling seit 20 Jahren einen Videoverleih. Davon leben könne sie mittlerweile nicht mehr, vor allem heuer sei das Geschäft schlagartig eingebrochen. Die Cineastin kam daher auf den Hund: Neben dem Filmverleih verkauft sie nun Biofutter und nobles Tierzubehör.

Der Kreativität für den Versuch, Videotheken über Wasser zu halten, sind wenige Grenzen gesetzt. Die Palette reicht von Kooperationen mit Pizzadiensten bis hin zu hauseigenen Solarien. Er persönlich belasse es aber lieber bei Cola, Chips und Gummibären, sagt Leopold Homola, der mit seinem "Videostar" über 10.000 Filme verfügt und die Verleiher in der Wiener Wirtschaftskammer vertritt. Er schätzt die Zahl der Anbieter in Wien auf 130. Rund 80 Prozent davon seien in Hand deutscher Ketten, die sich von kleinen unrentablen Filialen trennten. Auch die verbliebenen Einzelkämpfer würden jährlich weniger. Zumal sich das Geschäft nach der Fußball-EM halbiert und nie mehr erholt habe.

Online-Videotheken setzen den Videotheken ebenso zu wie das illegale Runterladen aus dem Web, das Filme noch vor den Premieren im Kino ins Wohnzimmer holt. Es werde alles zum Problem, und sei es nur der Verleih der Stadtbibliotheken, die im Übrigen steuerlich begünstigt seien. An die 1,20 Euro seien für einen Leihfilm in der Regel pro Tag zu bezahlen, rechnet Homola vor. In Deutschland koste es das Doppelte, der harte Wettbewerb habe die Preise ruiniert. Homola räumt ein, es sei nicht einfach, sie den Kunden plausibel zu machen. Im Handel koste ein Film ja oft nicht einmal zehn Euro. Für ihn komme er inklusive der Verleihrechte aber auf 25 bis 30 Euro.

Und da sei natürlich die Steuer, die für das Vergnügen in Höhe von zehn Prozent von den Videotheken in Wien an den Fiskus abzuliefern ist. In anderen Ländern berappen Verleiher eine Lustbarkeitsabgabe, Salzburg hat sie abgeschafft – wie sie auch für Kinos nicht mehr gilt.

Das Ganze sei eine Ungleichbehandlung und verzerre den Wettbewerb, klagt Homola, doch Wien beharre darauf. Es geht ums Kulturgut Film, sagt Leinwather und erzählt von neuen Gesprächen der Cineasten mit den Magistraten.

Bald falle für die Branche aber ohnehin die letzte Klappe. Dann, wenn die Österreicher ihre Filme über iTunes beziehen und Amazon einsteige. (Verena Kainrath, DER STANDARD – Printausgabe, 2. September 2010)