Maria Fekter und Thilo Sarrazin haben etwas gemeinsam: Sie haben Probleme im Umgang mit Migranten benannt. Die ÖVP-Politikerin und der ehemalige SPD-Politiker haben in manchem Befund recht. Sie provozieren aber bewusst, liefern falsche Erklärungen und ziehen vor allem fatale Schlussfolgerungen. Damit verhindern sie, dass man sich mit den angesprochenen Problemen der Migration und Integration auseinandersetzen kann, ohne in eine hysterische Diskussion zu verfallen.

Es ist ein Problem, wenn ein Viertel aller Asylwerber, die in Österreich einen Antrag stellen, während des Zulassungsverfahrens untertaucht - in den ersten Monaten des Jahres waren es 2005 Asylwerber. Würde es Fekter bei dieser schlichten Feststellung belassen und vor allem auf EU-Ebene dafür sorgen, dass die Gründe beseitigt werden, dann wäre sie glaubwürdiger. So sind die nahenden Wahlen in der Steiermark und in Wien die Begründung, dass sie wieder einmal als Eiserne Lady auftritt. Es ist auch kein Zufall, dass just jetzt erstmals Zahlen zu untergetauchten Asylwerbern veröffentlicht werden. Bisher hieß es, solche Statistiken würden nicht geführt. Und Fekter insinuiert, alle abgetauchten Asylwerber seien kriminell und würden versuchen, auf illegale Art und Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Problem wird exportiert

Umgekehrt ist fragwürdig, wenn die evangelische Diakonie darauf verweist, dass das mit den Untergetauchten nicht so schlimm sei, denn die meisten würden ohnehin nach Deutschland weiterreisen: Das Problem ist sozusagen exportiert.

Aber die Menschen sind noch immer innerhalb der EU. Und die meisten Untergetauchten ziehen deshalb von Österreich aus weiter, weil sie hier wenig Chancen haben, Asyl zu erhalten. Die Politik gibt die Rahmenbedingungen dafür vor, die meisten Beamten wissen ihren Ermessensspielraum schon entsprechend eng auszulegen. Mit einer freundlichen Aufnahme können inzwischen nicht einmal mehr Deutsche rechnen. Dabei sind jahrzehntelang tausende Österreicher ins Nachbarland zum Arbeiten gepilgert, als es Deutschland wirtschaftlich noch besser ging.

Deutschland geht aber großzügiger bei der Anerkennung von Asylbewerbungen vor - wie auch Schweden und Großbritannien. Griechenland dagegen hält nach Einschätzung des Europarates nicht einmal die europäischen Menschenrechtsstandards ein.

Ungerecht

Es ist ungerecht, wenn die Anerkennungsquote für einen Somalier zwischen vier und 93 Prozent liegt - je nachdem, in welchem EU-Land der Antrag gestellt wurde. Und die südlichen Länder werden alleine gelassen mit dem Ansturm von Afrikanern, die nach Europa drängen. Die EU-Kommission hat 2008 und 2009 Vorschläge für ein europäisches Asylrecht mit rascheren Entscheidungswegen und einheitlichen Standards gemacht. Die EU-Staaten haben dies abgelehnt.

Das derzeitige System gleicht einer "Asyllotterie" und ermöglicht es Politikern in einzelnen EU-Staaten, Migranten für Politrhetorik und zur Verbesserung von Umfragen zu missbrauchen: Die Werte von Präsident Nicolas Sarkozy haben sich nach den Roma-Abschiebeaktionen schlagartig verbessert.

Folgerichtig müsste es noch europäisch abgestimmte Integrationsvorgaben geben. Dann wäre der ausländerfeindlichen Rhetorik von Fekter, Sarrazin und Co der Boden entzogen. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD Printausgabe, 1.9.2010)