Wien - Kritik an den Bundesländern in der Debatte um die Zuständigkeit für die Lehrer übt Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ). Der österreichische Föderalimus verstehe sich zwar als Gegenstück zum Zentralismus - "in Wirklichkeit stehen der Regierung aber neun Klein-Zentralisten gegenüber, deren politische und wirtschaftspolitische Bedeutung in einem zusammenwachsenden Europa unweigerlich eine Tendenz nach unten hat", so Vranitzky. In gewisser Weise verstehe er das Verhalten der Länder auch - "aber ein Siegermodell für Europa kann das nicht sein".

Die Länder haben zuletzt die bisher zwischen Bund und Ländern geteilte Kompetenz für alle Lehrer für sich reklamiert. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (S) will dagegen alle Lehrer zu Bundeslehrer machen.

Der Historiker Oliver Rathkolb habe vor einigen Jahren mit "Die paradoxe Republik" ein interessantes Buch geschrieben, so Vranitzky: "Ich sehe jetzt eine dieser Paradoxien: Vom Hak-Schüler bis zum Uni-Professor, vom Wifo bis zur Industriellenvereinigung sagt jeder, dass die substanzielle Zukunft des Landes darin liegt, wie unser Bildungssystem funktioniert. Das Paradoxe ist, dass sich mit Claudia Schmied die Unterrichtsministerin dieser Herausforderung stellt und die Wissenschaftsministerin (Beatrix Karl, Anm.) mit ihr grundsätzlich übereinstimmt, andere Vertreter der politischen Klasse hingegen Schwierigkeiten machen, die weithin anerkannten Neuordnungen zu akzeptieren und diese in absurder Art und Weise bekämpfen", kritisierte Vranitzky: "Und da kommen wir in die Gasse des Föderalismus."

"Länder spielen maßgebliche Rolle"

Die Vorschläge Schmieds bedeuteten ja nicht die Ausschaltung der Länder, so Vranitzky. Nach ihrem Modell würden zwar alle Lehrer zur Bundeskompetenz, gleichzeitig solle es aber in jedem Land eine regional besetzte Bildungsdirektion geben und durch Abschaffung der Bezirksschulräte eine Verwaltungsebene wegfallen. "Da spielen die Länder ja eine maßgebliche Rolle." Der Schritt wäre auch ein maßgeblicher Beitrag zur Verwaltungsreform und böte Einsparungspotenzial bei den Ämtern der Landesregierung. Es sei ja auch nicht so, dass es eine einheitliche Phalanx der Länder gegenüber Schmied gebe: Mit Franz Voves und Gabi Burgstaller wären zwei Landeshauptleute auf ihrer Seite, Michael Häupl habe zu weiteren Untersuchungen geraten: "Schmied steht ja nicht allein auf der Wiese."

Diese Diskussion führt laut Vranitzky "tief in die Strukturen der ÖVP hinein": "Auf der einen Seite gibt es den Wirtschaftsbund, der auf die Gesamtschule setzt, und auf der anderen Seite die Lehrergewerkschaft. Beide sind Säulen der ÖVP, wobei letztere ja keine Bildungs- , sondern Standespolitiker sind." Aus dem Konflikt könne nur ein Weg herausführen: "Regierung plus beide Parlamentsklubs - diese sind ja auch Bundespolitiker - müssen im Interesse der Sache gegenüber Länderebene und Gewerkschaften einig auftreten."

Auf die Frage, wie realistisch das sei, meinte Vranitzky: "Es gibt halt gewisse Aufgaben, die noch nicht realistisch ausschauen, aber die realistisch werden, wenn sie es müssen." Wenn der Finanzminister sage, dass es bis Jahresende ein Paket gebe, in dem das Sparen im öffentlichen Sektor hohe Priorität habe, dann weise Schmieds Vorhaben dazu den Weg.

Deja-Vu-Erlebnis

Die Diskussion um die Kompetenzen für die Bundes- bzw. Landeslehrer haben bei Vranitzky "in gewisser Hinsicht" ein Deja-Vu ausgelöst - "mit der Änderung gegenüber früher, dass wir damals eine geschlossene Haltung in der Regierung hatten, wenn es um Finanzausgleichsfragen ging". Als Quereinsteiger in die Politik habe er damals als Finanzminister einen Finanzausgleich zu verhandeln gehabt: "Damals hat die Bundesposition gegenüber den verschiedenen Länderwünschen gut gehalten, wir haben innerhalb kurzer Zeit einen Abschluss geschafft." (APA)