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Biologische Faktoren für die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter scheinen eine eher untergeordnete Rolle spielen. Die Studie mit Nonnen und Mönchen soll diese Annahme verifizieren.

Foto: APA/EPA/JIM HOLLANDER

Wien - Männer haben eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als Frauen (in Österreich derzeit 77,7 Jahre für Männer und 83,1 Jahre für Frauen), doch Frauen sind in der Regel unzufriedener mit ihrem Gesundheitszustand und auch tatsächlich häufiger krank. Dieses als "Gesundheits-Geschlechter-Paradoxon" bezeichnete Phänomen ist in der Gesundheitsforschung schon seit Jahrzehnten bekannt.

Nun wollen WissenschafterInnen hinter Klostermauern schauen, um diesen Widerspruch zu klären. Marc Luy vom Institut für Demografie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien erhält dafür vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen hoch dotierten "Starting Grant", eine Förderung für junge SpitzenforscherInnen.

Fokus auf biologische Aspekte hinter Klostermauern

Luy hat schon in den vergangenen Jahren in bayrischen Klöstern eine Studie zur Mortalität von knapp 12.000 Ordensfrauen und -männern durchgeführt. Ausgangspunkt dabei war die Frage, ob für die deutlich geringere Lebenserwartung der Männer überwiegend biologische, also genetische und hormonelle Unterschiede, oder nicht-biologische Faktoren wie Unterschiede im Lebensstil oder Risiken in Verbindung mit dem Berufsleben, verantwortlich sind. Da bei Klosterbrüdern und -schwestern aufgrund des sehr ähnlichen Lebensstils nicht-biologische Risikofaktoren nahezu ausgeschlossen werden können, soll der Vergleich der Sterblichkeit von Nonnen und Mönchen die Abschätzung des Einflusses biologischer Faktoren ermöglichen.

Kleinerer Gap

Die bisher von Luy erhobenen Daten zeigen, dass der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen Ordensfrauen und -männern mit ein bis zwei Jahren im jungen Erwachsenenalter deutlich geringer ist als zwischen Frauen und Männern der Allgemeinbevölkerung mit sechs Jahren (Daten aus Deutschland). Wären vom Menschen nicht zu beeinflussende Faktoren, wie genetische Ursachen, für die geschlechtsspezifischen Sterblichkeitsunterschiede verantwortlich, dann sollten sie auf alle Bevölkerungsgruppen den gleichen Einfluss ausüben und dürften sich nicht so deutlich zwischen Kloster- und Allgemeinbevölkerung unterscheiden. Aus seinen bisherigen Studien schließt Luy daher, dass biologische Faktoren für die unterschiedliche Lebenserwartung der Geschlechter eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Frauen mit weniger letalen Krankheiten

Nun will der Wissenschafter mit seinem Forschungsteam das "Gesundheits-Geschlechter-Paradoxon" klären. Sie vermuten, dass dieses Phänomen vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen ist: "Einerseits nehmen wir an, dass sich die Geschlechter in Art und Schwere von Erkrankungen unterscheiden", erklärte Luy. So würden Männer häufiger als Frauen unter Krankheiten leiden, die unmittelbar zum Tod führen, während die typischen Frauenerkrankungen vor allem Gesundheitsbeeinträchtigungen zur Folge hätten, aber nicht unmittelbar lebensbedrohend seien. "Da nicht nur die Sterblichkeits- sondern auch die Gesundheitsunterschiede zwischen den Geschlechtern von einem komplexen Gemisch aus biologischen und nicht-biologischen Faktoren hervorgerufen werden, kann eine Klosterstudie auch hier wichtige Aufschlüsse liefern", so Luy.

Männer profitieren vom ruhigen Leben

Andererseits, so die Annahme der WissenschafterInnen, wird dieses Phänomen durch einen statistischen Effekt unterstützt. "Wer länger lebt, verbringt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine längere Lebenszeit in schlechter oder beeinträchtigter Gesundheit", betonte Luys Kollege Christian Wegner. Demnach sei die höhere Krankheitsrate (Morbidität) der Frauen nicht darauf zurückzuführen, dass sie eine schlechtere Gesundheit als Männer hätten, sondern sie würden sich in Erhebungen als im Durchschnitt häufiger krank erweisen, weil sie das Geschlecht mit der höheren Lebenserwartung seien. "Da es vor allem die Männer sind, die bezüglich der Lebenserwartung vom Klosterleben profitieren, wird der geschlechtsspezifische Vergleich der Gesundheit von Kloster- und Allgemeinbevölkerung viele interessante Ergebnisse liefern", so Luy.

Fünf-Jahres-Studie

Die DemografInnen wollen für dieses Forschungsprojekt nicht nur Daten aus bayrischen, sondern auch aus österreichischen Klöstern heranziehen. Geplant ist eine fünfjährige Langzeitstudie mit insgesamt 1.500 Ordensfrauen und -männern. Sie erwarten sich davon nicht nur ein besseres Verständnis über das komplexe Verhältnis zwischen Gesundheit und Sterblichkeit bei Frauen und Männern. Sie erhoffen sich vor allem auch für Medizin und Politik relevante Hinweise darüber, wie der Allgemeinbevölkerung nicht nur ein längeres, sondern auch gesünderes Leben ermöglicht werden kann. (APA)