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Nur glückliche Schweinderl und Kühe hat der Autor laut seinen Angaben auf seiner Rechercherundreise nicht gefunden. Und: "Insgesamt kommen nur rund zwanzig Prozent aller Agrarsubventionen den vielbeschworenen kleinen Bauern zugute", so Weiss. Der Rest gehe an Großbauern, an Raiffeisen-dominierte Lebensmittelfirmen, an Privatstiftungen und an reiche Österreicher.

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Wien - Wenn Hans Weiss ein Schwarzbuch schreibt, kommen die Protagonisten der von ihm aufs Korn genommenen Branchen meistens schlecht weg. Das ist beim jüngsten "Schwarzbuch Landwirtschaft" nicht anders als bei "Bittere Pillen" oder "Korrupte Medizin". "Der Bauer als Millionär" heißt dementsprechend der Titel in der aktuellen Wochenzeitschrift "Die Zeit", unter dem Weiss dort einen Auszug aus seinem Buch veröffentlicht. Wer in Österreich über Landwirtschaft spricht, kann an Raiffeisen nicht vorbei. Den Giebelkreuzern ist dieser Artikel (und ein Kapitel im Buch) auch gewidmet. Weiss listet die Unternehmungen des Konzerns auf, die sich im unüberschaubaren Raiffeisenreich von der Bank über die Immobilienwirtschaft bis hin zum Lebensmittelproduzenten erstreckt. Auf der einen Seite nimmt die Zahl der Bauern von Jahr zu Jahr ab, auf der anderen Seite wird Raiffeisen größer und größer, hat sich von einem bäuerlichen Selbsthilfeverein in einen multinationalen Konzern verwandelt", schreibt der Autor. Was ihn dabei empört: Der Steuersatz des Konzerns - so rechnet er vor - liege bei einem Prozent. Bei einem Gewinn von 1,9 Milliarden Euro hätten die Giebelkreuzer gerade einmal 19 Millionen Euro abgeführt. "Gewinne hui, Steuern pfui", interpretiert Weiss die Geschäftspolitik.

"Eine einzige Steueroase"

Ohnedies sei die Landwirtschaft eine einzige Steueroase, empört sich der Autor anlässlich der Buchpräsentation: "98 Prozent der Bauern zahlen keine Steuern." 160.000 Landwirte zählt er in Österreich: "Davon zahlen gerade einmal 3.000 bis 4.000 Einkommensteuer." Geschuldet den hierzulande ohnedies heiß diskutierten Einheitswerten fallen im Jahr nach seiner Berechnung durchschnittlich 200 Euro an Grundsteuern an. Dazu kämen rund 4.000 Euro an Sozialabgaben. Herzlich wenig, dafür, dass sich so manch Großgrundbesitzer unter den in Österreich auch reich geförderten Agrariern befinde, so Weiss. Und kommt mit deftigen Ausdrücken bereits zum nächsten Stein des Anstoßes: "Es ist ein Saustall, mit dem wir es zu tun haben." Die Förderpolitik hierzulande hält der Journalist gelinde gesagt für ziemlich daneben: "Milliarden werden an die Falschen ausgeschüttet." Auch das Wort Korruption fällt in diesem Zusammenhang. Und von der heftig diskutierten Transparenzdatenbank hält Weiß nebenbei herzlich wenig, würden doch die Förderungen von Bund und Ländern nicht aufgelistet: "Da sind zum Beispiel in Vorarlberg nur 62 Prozent aller Subventionen ausgewiesen. Das ist eine Verschleierungsdatenbank."

Der Besitzer des goldenen Traktors

An den Pranger gestellt werden einmal mehr bekannte Namen - so sie nicht hinter Privatstiftungen verschwinden. Die Liste erstreckt sich von Julius Meinl, der eine Bergbauernförderung von 34.000 Euro beziehe, über Wolfgang Porsche, der sich mit 55.000 Euro unterstützen lasse bis hin zur Privatstiftung Flick oder Magna-Chef Siegfried Wolf. "Wie viel Agrarsubvention erhält der Besitzer des goldlackierten Steyr-Traktors (DVT 6160)", fragt er provokant? 40.991,24 Euro bekam Siegfried Wolf für seinen Achtzig-Hektar-Hof im niederösterreichischen Weikersdorf. Auch er unter dem Titel "Bergbauernförderung". Genüsslich trägt Weiss dann die Begründung für die gewährten Unterstützungen vor: "Um ein stabiles Einkommen zu gewährleisten". Man verstehe ihn nicht falsch, nicht die industrielle Landwirtschaft an sich und grundsätzlich sei ihm ein Dorn im Auge: "Aber die Großen werden gefördert, den Kleinen schnürt man die Luft zum Leben ab", so Weiss im Gespräch mit derStandard.at. Seiner Ansicht nach handelt es sich nicht um schwarze Schafe, denen er im Buch eine besondere Rolle zukommen lässt, sondern um ein faules System. Funktionäre kassieren alleine 100 Millionen Euro pro Jahr, schießt er nach. 216 der 277 Landeskammerräte der Landwirtschaftskammern bringen es laut Weiss im Jahr 2008 auf 5,74 Millionen Euro an Agrarförderungen. Insgesamt würden in der Landwirtschaft aktive Politiker und Agrarfunktionäre auf schätzungsweise rund 100 Mio. Euro an Subventionen kommen.

Keine glückliche Schecki

Dass die Landwirtschaft wenig mit der "glücklichen Schecki" auf der grünen Alm zu tun hat, weiß der kritische Konsument vermutlich ohnedies. Das eine oder andere Detail, das der geborene Tiroler ins Buch hievt, könnte dennoch für leichtes Gruseln sorgen. Warum tragen Kühe keine Hörner mehr? Weil man so genannte Laufställe fördere, hat Weiss im Zuge seiner Recherchen herausgefunden. Und warum fördere man Laufställe? Weil die Rindviecher heute rund zweihundert Kilogramm mehr auf die Waage bringen. Manch niederösterreichische Lehmbodenwiese hielte dem stattlichen Gewicht von 700 Kilo nicht stand. Deswegen blieben die Tierchen vorsorglich im Stall. Und da es in beengten Verhältnissen nicht gesund sei, sich die Hörner abzustoßen, würden Vorsorgemaßnahmen getroffen. Die da laut Weiss wären: Den Kälbern werden gleich einmal im zarten Alter die Hornansätze mittels Brennstab versengt. Ohne Betäubung, so wie man den Schweinderln ebenfalls das Schwänzchen ohne Anästhesie abzwicke.

Bio als Schmäh

Auch Bio sei vielfach Schmäh, macht Weiss auch vor Österreichs heiligen und hochgelobten Kühen nicht halt. "In Biobetrieben sollten Kühe auf der Wiese sein. In der Praxis ist das aber bei weitem nicht immer so. Wegen der vielen Ausnahmen in Österreich." Weitere Thesen: Die Zuckerförderung - eine Unterstützung für Großkonzerne wie KraftFoods; das Bauernsterben - ein Ergebnis der Förderpolitik zugunsten der Großen; die heimische Gentechnik-Freiheit - dank kräftigem Kraftfutterimport nicht viel mehr als ein Schmäh; die Tierzucht - die Produktion von Superbullen und -Kühen mittels Embryo-Transplantation; und die Tiroler Agrargemeinschaften - riesige Landverschiebungen im Milliardenwert. Weiss fordert im "Schwarzbuch" keine Subventionen an Privatstiftungen und an Personen zu vergeben, die mehr als 57.000 Euro im Jahr verdienen. Weiters sollen Subventionen auf maximal 25.000 Euro pro Betrieb und Bauer begrenzt werden.

Der Bauernbund hat in einer Aussendung mit dem Titel "Übliche Hetze gegen Bauern" schon einmal klar gemacht, was er von Weiss' Schwarzbuch hält: "Wenn ein so genanntes Sachbuch mit dermaßen unsachlichen und tendenziösen Darstellungen daherkommt, dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Parteipropaganda handelt. Es ist die übliche Hetze, die schon seit mehreren Monaten gegen die österreichischen Landwirte gefahren wird", kontert Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch. (Regina Bruckner, derStandard.at, 30.08.2010)