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An vielen britischen Schulen wird fast ausschließlich Englisch gesprochen - nicht nur wenn der Prinz von Wales zu Besuch ist.

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Die neuesten Prüfungsergebnisse haben den alarmierenden Trend bestätigt: Die Briten lernen kaum noch Fremdsprachen. Seit 2002 ist die Zahl von Jugendlichen, die ihre mittlere Reife in wenigstens einer Sprache ablegen, um 38 Prozent zurückgegangen. Auch Abiturienten und Studienanfänger scheuen vor Sprachen zurück. Deutsch und Französisch sind am schlimmsten betroffen, reihenweise schließen renommierte Universitäten ihre Sprach-Abteilungen. "Aus wirtschaftlichen, sozialer und kultureller Sicht sollte uns dieser Trend stark beunruhigen", sagt Richard Lambert vom Unternehmer-Verband CBI. "Wir benachteiligen unsere jungen Leute auf dem internationalen Arbeitsmarkt", warnt Kate Board vom nationalen Sprachzentrum Cilt.

Der langfristige Rückgang hat kulturelle Gründe. Das Mutterland des Empire profitiert von der weltweiten Anziehungskraft des Englischen. Mag Mandarin die Muttersprache von wesentlich mehr Menschen sein, international hat nur Chancen, wer sich auf Englisch verständlich machen kann. Das Internet hat dieses Phänomen verstärkt. Online herrsche eine "übermächtige Anglo-Zone", analysiert der Guardian-Kolumnist Martin Kettle. Die Folgen seien fatal: "Unsere Aufmerksamkeit war noch nie so verengt auf die englischsprachige Welt, besonders Amerika, wie heute." Entscheidender für viele Schüler dürfte sein, worauf Pädagogen anklagend hinweisen: die Entscheidung der damaligen Labour-Regierung, Sprachen als Pflichtfach abzuschaffen. Während 2003 mehr als die Hälfte aller 15-Jährigen in 78 Prozent der weiterführenden Schulen Fremdsprachen lernten, fiel der Anteil in diesem Jahr auf 40 Prozent, im Staatsschulsektor sogar unter ein Drittel. Reihenweise werden Deutsch- und Französisch-Lehrer entlassen oder auf mehrere Schulen verteilt.

Zweitsprache als Privatsache

Wenigstens gibt es den liberalen Vize-Premier Nick Clegg. Der Sohn einer holländischen Mutter ist mit einer Spanierin verheiratet und spricht zusätzlich zu diesen beiden Sprachen auch noch Deutsch und Französisch. Cleggs gutes Beispiel weist allerdings auf den wachsenden Abstand zwischen dem britischen Staatsschulsektor und den privaten Lehranstalten hin. Wie mehr als die Hälfte seiner Kabinettskollegen (Bevölkerung: ca. 5 Prozent) genoss der Vize-Premier eine teure Ausbildung auf einem klassischen Privatgymnasium. Optimisten verweisen auf die starken Minderheiten aus den früheren Kolonien Pakistan und Bangladesch, aber auch aus Türkisch-Zypern: Deren Kinder wachsen ohnehin zweisprachig auf. Insgesamt gehören mehr als drei Millionen Briten diesen Sprachgruppen an. Übersehen wird dabei, dass viele Einwanderer als Analphabeten in ihrer eigenen Sprache kamen und deshalb oft nur bruchstückhaft Englisch lernen.

Gute Nachrichten brachten die jüngsten Ergebnisse für einige Trendsprachen: Spanisch steht kurz davor, Deutsch zu überholen. Mehr als 3500 junge Briten mühten sich mit Mandarin; mit dem sagenhaften Zuwachs von 1309 Prozent schaffte es Polnisch sogar auf Platz eins aller Sprachprüfungen, als Folge der enormen Zuwanderung aus dem EU-Neumitglied. (Sebastian Borger aus London/DER STANDARD-Printausgabe, 30.8.2010)