Wien/Linz - Die schärfsten innerparteilichen Kritiker an Wolfgang Schüssels Weg zu einer Pensionsreform blieben nach seiner Rede am Parteitag in Linz entweder stumm oder signalisierten Zustimmung, wenn auch mit Vorbehalten. ÖAAB-Chef Werner Fasslabend, der vehement ein Ziehen der Giftzähne verlangt hatte, zeigte sich am Sonntag mit dem Ergebnis des Parteitages zufrieden.

Die vage Zusage Schüssels zu Abfederungen bei der Pensionsreform ist für Fasslabend ausreichend. Zur Frage nach den Mitwirkungsmöglichkeiten des ÖAAB bei künftigen Vorhaben meinte Fasslabend, an sich sei es in der ÖVP üblich, bei der Entstehung von Gesetzen alle beizuziehen. "Das war diesmal weniger der Fall. Es war in der Vergangenheit der Fall und sollte auch in der Zukunft wieder der Fall sein."

Fasslabend verwies aber darauf, dass Schüssel Veränderungen in drei für den ÖVP-Arbeitnehmerflügel wesentlichen Bereichen angekündigt habe. Dies betrifft die Absicherungen von Frauen, die Auswirkungen bei Personen mit langer Versicherungsdauer und die Deckelung von Durchrechnungsverlusten. Es gebe keinen Zweifel, dass Schüssel diese Zusage einhalten werde.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, der Schüssel in den letzten Tagen ordentlich zugesetzt hatte, sieht nach dem ÖVP-Parteitag eine Chance, dass die Streiks gegen die Pensionsreform ausbleiben könnten. Schüssels Aussage, er strecke den Sozialpartnern beide Hände entgegen, biete "eine mögliche Chance, doch noch zu einem Konsens zu gelangen und damit die Streikdrohungen nicht in die Wirklichkeit umzusetzen". Für Leitl habe Schüssel ein "sehr gutes Signal" gesetzt, das jetzt freilich mit Inhalt gefüllt werden müsse.

"Schiefer Haussegen"

Leitl setzt nun auf das Angebot Schüssels, der eine Mitarbeit der Sozialpartner in der parlamentarischen Behandlung der Materie in Aussicht gestellt hat. Leitl: "Ich verlasse mich darauf, dass das jetzt nicht nur eine rhetorische Geste war, sondern dass dem Kanzler bewusst ist, dass er einen großen Einfluss auf das soziale Klima in Österreich hat und daher alle Möglichkeiten ausschöpfen wird, dass der schiefe Haussegen wieder gerade wird."

Das Angebot der Sozialpartner liege jedenfalls am Tisch, er wolle sich an der Debatte weiter konstruktiv beteiligen, stellte der Wirtschaftskammerpräsident am Sonntag fest. Ausdrücklich begrüßte er, dass Schüssel bestätigt habe, dass mit der Pensionsreform auch gleich eine Punktation zur Harmonisierung der Pensionssysteme beschlossen werden solle.

Schüssel hatte seine Mitstreiter am Parteitag wissen lassen, dass es Abfederungen geben werde. Dem Kanzler war es in seiner Rede gelungen, ein Wir-Gefühl entstehen zu lassen, seine Kritiker bedachte er mit Lob. Dem Vorwurf der sozialen Kälte stellte er persönliche Töne entgegen: "Wir mögen uns." Bei seiner Wiederwahl als Parteichef erhielt Schüssel 94 Prozent der Delegiertenstimmen, 1999 waren es noch 96 Prozent gewesen. Der Bundeskanzler zeigte sich dennoch hoch zufrieden. (völ, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 28.4.2003)